The Smiths
„The Smiths“
Warner (VÖ: 6.12.)
Die vier Studioalben der Smiths plus Outtake-Sammlungen.
Morrissey ist der einzige Popstar, dem man seine Larmoyanz nicht nur nachsieht. Man ersehnt sie sogar. Aber erst auf dem vierten und letzten Studioalbum der Smiths bricht er zusammen, fleht: „Last night I dreamt that somebody loved me.“ Morrisseys kongenialer Songwritingpartner Johnny Marr spielte dazu auf seiner Rickenbacker. Erstaunlich, dass die wichtigste britische Band der 80er-Jahre uns keinen Klang der Zukunft verkaufen wollte. Die Smiths veröffentlichten ihre Studioalben innerhalb eines schmalen Zeitfensters, von 1984 bis 1987, aber sehr effektiv, in jedem Jahr eines: „The Smiths“, „Meat Is Murder“, „The Queen Is Dead“ und „Strangeways, Here We Come“. Alle diese vier wurden nun neu aufgelegt, „mit korrektem Artwork“, was immer das bedeutet, dazu die Compilations und Alternativfassungs-Sets „Louder Than Bombs“, „The World Won’t Listen“ und „Hatful Of Hollow“.
Erstaunlich, dass die wichtigste britische Band der 80er-Jahre uns keinen Klang der Zukunft verkaufen wollte
Auch sie erscheinen wie Studioalben, da die darauf enthaltenen Singles in Klang und Erzählung Hinweise geben, auf welche der tatsächlichen Studioalben sie gehört hätten – Morrissey und Marr aber auf ihren Einbezug verzichteten, weil sie mit der parallelen Singles-only-Veröffentlichungsstrategie den Sechzigern und den Beatles Reverenz erwiesen. „Panic“ ist „The Queen Is Dead“-Material, „William, It Was Really Nothing“ gehört auf „The Smiths“. „Ask“ mit der Zeile „Nature is a language, can’t you read?“ passte nirgendwohin.
Höhepunkt der Kollektion ist der Londoner Live-Mitschnitt „Rank“, der die Smiths bei ihrer ’86er-Tour als Quintett mit dem zweiten Gitarristen Craig Gannon präsentierte. Morrissey gefiel das nicht, er empfand die Smiths dadurch als eine Art Rolling Stones. Aber der auf Alben mit bis zu vier Gitarren pro Lied antretende Marr wurde dadurch entlastet. „Sakrileg!“, befand der Sänger, der die Band als Einzelgänger an ihren Instrumenten verstand. Dabei entfaltet die Anti-Hymne „The Queen Is Dead“ erst in dieser fetteren Bühnenversion ihr destruktives Potenzial.
Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 3/25.