Pete Townshend

„The Studio Albums“ – Höhepunkte, Heroin & Haarausfall

Universal (VÖ: 28.3.)

Pete Townshends Solo-Werk in einer Box ohne Extras.

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Die Frage, was ohne Roger, John und Keith aus Pete Townshend geworden wäre, ist sinnlos. Denn natürlich ist seine hier auf acht CDs bzw. zwei gute Jahrzehnte kondensierte Solo-Laufbahn (1972–93) nur im Kontext seiner Band zu verstehen. Schon das in Townshends berühmtem Heimstudio produzierte, von seinem erwählten Guru Meher Baba beseelte Solo-Debüt, „Who Came First“ (★★★★★,1972), enthielt mit „Let’s See Action“ die Demo-Version einer Who-Single. Im Jahr darauf folgte die von seiner Synthesizer-Sammlung dominierte Mod-Oper „Quadrophenia“, de facto ein Solo-Album mit dem Rest von The Who als glorifzierten Gastmusikern. In der Solo-Timeline dagegen springt man munter weiter zu „Rough Mix“ (★★★★★,1977), einer charmanten Zusammenarbeit mit Ex-Face Ronnie Lane, für die Townshend sein Ego weiter zurückschraubte, als er das bei The Who je zuließ.

Die kohärenteste Solo-Phase bilden seine drei Alben aus der ersten Hälfte der Achtziger. Auf „Empty Glass“ (★★★★★, 1980) befreit er sich wendig vom Bombast seiner Stammband, vom homoerotischen Experiment „And I Moved“ und übermütigem Bubblegum wie „Let My Love Open The Door“ bis hin zur semiakustischen Grazie von „I Am An Animal“. Rückblickend unverdient wirkt auch die Häme, mit der die Kritik dessen Nachfolger, „All The Best Cowboys Have Chinese Eyes“ (★★★★★,1982), begrüßte. Zu Zeiten der New Wave galt es wohl noch als peinlich, Rock-Songs über das Erwachsenwerden zu schreiben, aber Dokumente der Midlife-Crisis eines mit Haarausfall und Heroin hadernden Sixties-Relikts wie „The Sea Refuses No River“ oder „Slit Skirts“ sind erstaunlich gut gealtert. Ebenso „White City: A Novel“ (★★★★, 1985), ein würdiger Versuch, mit einer Dosis Westlondoner Sozialrealismus im antagonistischen Britannien der Thatcher-Ära einmal noch zu zeitgenössischer Relevanz zu finden.

Erstaunlich gut gealtert

Dann allerdings entdeckt Townshend das Musical samt Chören und Klimbim. Am Singspiel „The Iron Man“ (★★★,1989) zum gleichnamigen Buch von Ted Hughes wirkt einfach alles outriert, wäre da nicht auch der orchestrierte Tango Nuevo „Was There Life“. Ähnlich unzugänglich „Psychoderelict“ (★★,1993), hier sowohl in seiner von brutalen Einblendungen zotiger Dialoge ruinierten Hörspielfassung als auch der verträglicheren „No Dialogue“-Version. Zwischen einem unliebsamen Narrativ über die sexuellen Frustrationen eines abgehalfterten Rockstars lassen Songs wie „Outlive The Dinosaur“ und „Now And Then“ ahnen, was alles hätte sein können, wäre Townshend nicht seinem unheilbaren Drang zur großen Oper gefolgt.

Um zu verstehen, wie all das mit Höhepunkten seines Lebenswerks wie „Tommy“ oder „Who’s Next“ zusammenhängt, bedürfte es der drei hervorragenden Demo-Compilations „Scoop“, „Another Scoop“ und „Scoop 3“. Die werden hier aber ebenso weggelassen wie „The Lifehouse Method“, die inoffziellen frühen Meher-Baba-Tributes und – unerklärlicherweise – sämtliche Bonus-Tracks früherer CD-Reissues derselben Alben. Als Kaufanreiz für Komplettisten bleiben einzig die knackigen neuen Remasters von Jon Astley, dem Giles Martin des Who-Universums. Diesbezüglich war aber schon an den Vinyl-Originalen nichts falsch.

Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 4/25.