Ist „Star Trek“ am Ende?

Ein Blick auf die Gegenwart und Zukunft von „Star Trek“ im Streaming-Zeitalter – mit Staffel 3 von „Strange New Worlds“ vor dem Start

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Zu Beginn des Vorspanns jeder Folge von „Star Trek: Strange New Worlds“ spricht Anson Mount eine Variante der berühmten Einleitung, die schon viele „Trek“-Kapitän*innen vor ihm vorgetragen haben. Dass das All die letzte Grenze sei, dass die Reise des Raumschiffs Enterprise weitergehe. Mit dem Ziel, dorthin zu gelangen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist.

Doch während Staffel 3 von „Strange New Worlds“ am 17. Juli auf Paramount+ startet, befindet sich „Star Trek“ als Fernsehfranchise an einem Punkt, an dem es schon ein paar Mal war. Mit ungewisser Zukunft und einem Großteil des aktuellen Erfolgs, der davon lebt, Erinnerungen an frühere Serien zu wecken.

Paramount hat bereits bekannt gegeben, dass die fünfte Staffel von „Strange New Worlds“ die letzte sein wird. Und dass sie verkürzt wird. Nur sechs Episoden anstelle der üblichen zehn. Sofern sich nicht die Unternehmenspolitik ändert, bedeutet das, dass nur noch 26 Folgen übrig sind. Also so viele, wie eine einzige Staffel von „Star Trek: The Next Generation“ oder einer der anderen Spin-offs der Neunzigerjahre umfasste. Alle anderen aktuellen Serien sind beendet. Und das einzige offiziell angekündigte Projekt ist „Star Trek: Starfleet Academy“ mit Holly Hunter und Paul Giamatti, angesiedelt in der gleichen Ära des 32. Jahrhunderts wie die späteren Staffeln von „Star Trek: Discovery“.

Der Streaming-Schub – und seine Grenzen

Als „Discovery“ 2017 Premiere feierte, sollte es das Fundament für den damaligen Streamingdienst CBS All Access legen. Die Verantwortlichen wollten genug Star Trek-Serien gleichzeitig in Produktion haben, um das ganze Jahr über neue Episoden zu veröffentlichen. In der Annahme, dass Trekkies eine verlässliche Abonnentenbasis bilden würden, die auch andere Serien mitträgt.

Doch das funktionierte nie wirklich. Zwar gab es Phasen, in denen irgendeine Kombination aus „Discovery“, „Strange New Worlds“, der animierten Serie „Star Trek: Lower Deck“s oder dem Sequel „Picard“ innerhalb eines Jahres neue Staffeln veröffentlichte. Doch den Kalender füllte das nie komplett. Stattdessen zeigte sich, dass die stärksten Zugpferde für Abos bei dem inzwischen umbenannten Dienst Paramount+ ganz woanders lagen. Bei „Yellowstone“-Ablegern und anderen testosterongetränkten Dramaserien von Taylor Sheridan.

Kreative Sackgassen und altbekannte Gesichter

Kreativ war das Streaming-Zeitalter für „Star Trek“ durchwachsen. Und ein ständiger Kampf, über die Figuren und Handlungsorte hinauszuwachsen, die Fans aus den Serien und Filmen des 20. Jahrhunderts kennen. Teilweise liegt das an den holprigen Anfängen von „Discovery“, das von Bryan Fuller („Hannibal“) als Anthologieserie mit neuer Besetzung und neuer Zeitlinie in jeder Staffel geplant war.

Fuller verließ das Projekt jedoch frühzeitig aufgrund kreativer Differenzen. Unter anderem, weil seine Vorgesetzten die Anthologie-Idee ablehnten. Doch zu diesem Zeitpunkt war man schon tief in der Entwicklung einer ersten Staffel, die nur wenige Jahre vor der Originalserie der Sechzigerjahre spielte. Mit einer Hauptfigur, die als Spocks Adoptivschwester eingeführt wurde. Was als kurzer Ausflug in die Ära von William Shatner und Leonard Nimoy gedacht war, wurde so zum Hauptschauplatz der Live-Action-Produktionen. Gefesselt an eine bereits etablierte Kontinuität.

„Discovery“ und „Strange New Worlds“ boten neue – und teils deutlich tiefere und fesselndere – Interpretationen bekannter Figuren. So wurde etwa die Krankenschwester Christine Chapel (Jess Bush), die in den Sechzigern kaum mehr war als ein Klischee mit Spock-Schwärmerei, als vielschichtige Persönlichkeit neu interpretiert. Doch am Ende mussten sich beide Serien an enge erzählerische Vorgaben halten.

Zudem schadete sich „Discovery“ selbst, indem es das „Abenteuer-der-Woche“-Format aufgab, das bis dahin jede Serie genutzt hatte. Und stattdessen auf stark serialisiertes Erzählen im Stil eines „10-stündigen Films“ setzte. Die erste Staffel drehte sich um eine unglückliche Neugestaltung der Klingonen. Und ohne Einzelepisoden fehlte dem kreativen Team der Ausweg, während dem Publikum die Verschnaufpause fehlte. „Picard“ folgte dem gleichen Ansatz. Mit ein paar uninspirierten, staffellangen Handlungsbögen in den ersten beiden Jahren und neuen Nebenfiguren an Patrick Stewarts Seite, die beim Publikum kaum Anklang fanden.

Nostalgie schlägt Innovation

„Discovery“ entkam dem Problem der zeitlichen Einordnung schließlich, indem man die Crew in eine Zukunft jenseits aller bisherigen Serien versetzte. Doch das serielle Erzählen blieb – während die Fangemeinde sich zunehmend Serien wie „Strange New Worlds“ und „Lower Decks“ zuwandte, die wieder auf das episodische Erzählen der Vor-Streaming-Zeit setzten. „Picard“ wiederum akzeptierte, dass die Zuschauerinnen vor allem ein Wiedersehen von Jean-Luc mit der Crew von „Next Generation“ wollten. Und schuf mit einer „TNG“-Reunion eine deutlich rundere dritte und finale Staffel. Es war Nostalgie pur. Doch die Chemie zwischen diesen Darstellerinnen, die sich seit fast 40 Jahren kennen und lieben, glich viele frühere Schwächen der Serie aus.

Tatsächlich scheint das, was im modernen Trek funktioniert, vor allem das zu sein, was bewusst an frühere Zeiten erinnert. Mit Martin Quinn als junger Montgomery „Scotty“ Scott sind inzwischen sieben Hauptfiguren von „Strange New Worlds“ Figuren, die bereits in der Serie der Sechziger auftraten. Paul Wesley taucht gelegentlich als James T. Kirk auf. Die neuen Darstellerinnen machen ihre Sache hervorragend. Sei es, indem sie ihre Figuren als jüngere, noch unsichere Versionen anlegen. Oder indem sie bislang vage definierte Charaktere klar konturieren. Captain Pike etwa, einst ein blasser Abziehheld im Originalpiloten, wurde von Anson Mount und den Autorinnen neu erfunden. Als ein übermenschlich empathischer Anführer, der Konflikte durch Verständnis statt Gewalt löst. „Strange New Worlds“ ist die beste der aktuellen Serien. Doch manchmal wirkt sie wie mit einem Cheatcode gemacht. Zumal manche Figuren inzwischen ihren dritten Auftritt feiern (rechnet man die Chris-Pine-/Zachary-Quinto-Filme mit).

„Star Trek“ auf dünnem Eis

„Lower Decks“ hingegen war eine Serie von Trekkies für Trekkies. Mit ständigen Verweisen auf frühere Serien und Gastauftritten bekannter Figuren und Handlungsstränge, ermöglicht durch die Hauptfigur Brad Boimler (Jack Quaid), einen Fan der Sternenflotten-Geschichte. Die Serie schaffte es, Trek gleichzeitig zu parodieren und doch eine der aufrichtigsten Liebeserklärungen an Roddenberrys Idee zu sein. Und sie spielte nicht irgendwo im Kanon. Sondern nach den Ereignissen von Deep Space Nine und Voyager, statt sich zwischen bestehende Kontinuitäten zu quetschen. Es schien, als steckten noch viele Staffeln in dem Konzept. Doch Paramount beendete die Serie nach der fünften.

Kate Mulgrew, Hauptdarstellerin von „Voyager“, trat in Hologrammform in der kinderfreundlichen Serie Star Trek: Prodigy auf. Gedacht als Einstieg für eine neue Generation. Paramount+ setzte die Serie jedoch nach nur einer Staffel ab, bevor Netflix schließlich eine zweite veröffentlichte.

Vielleicht gibt es einfach kein neues Publikum mehr für „Star Trek.“ Vielleicht bleibt Paramount nichts anderes, als auf bekannte Figuren und Situationen zu setzen, um die bestehende Fanbasis zufriedenzustellen. Allein bei den Filmen klafft inzwischen die längste Lücke seit „Star Trek: The Motion Picture“ (1979). Neun Jahre sind vergangen seit „Star Trek Beyond“. Verschiedene Regisseure – von Quentin Tarantino bis Noah Hawley – wollten neue Filme entwickeln. Zuletzt ist von einem vierten Abenteuer mit dem Pine-/Quinto-Cast die Rede. Doch auch das wäre erneut ein Rückgriff auf Bekanntes.

Ein Teil des Problems: Paramount selbst steckt in einem Umbruch. Vor einem Jahr wurde der geplante Zusammenschluss mit Skydance Media angekündigt. Doch solange die FCC den Deal nicht genehmigt, ist unklar, welchen Stellenwert das neue Management dem „Trek“-Franchise beimessen wird.

Ethan Peck ist ein starker Spock

Die ersten beiden Staffeln von „Strange New Worlds“ zählen zu den besten Phasen in der Star Trek-Geschichte. Selbst wenn jede Staffel nur zehn Folgen umfasste. Das führte zu einem gewissen Druck, jede Episode als „besondere Folge“ zu gestalten. Eine Körpertausch-Komödie! Ein Musical! Eine Zeitreise-Romanze! Ein Crossover mit Lower Decks! Mit wenig Raum für einfache, geradlinige Geschichten, die den Figuren Tiefe verleihen und damit die ausgefalleneren Episoden noch stärker wirken lassen. Ethan Peck ist ein starker Spock. Doch unser Vorwissen über die Figur leistet einen Großteil der Arbeit.

Hoffnung trotz Stillstand

Die ersten fünf Folgen der neuen Staffel wirken insgesamt weniger packend als in den vorherigen Jahren. Teilweise scheint sich die Serie auf feste Episodenformate eingependelt zu haben. Eine komödiantische Spock-Folge (diesmal mit Rhys Darby als allmächtigem Alien). Eine Folge über Dr. M’Benga (Babs Olusanmokun) und seine Vergangenheit als gnadenloser Kämpfer im Krieg gegen die Klingonen. Und eine über die Einsamkeit von Sicherheitsoffizierin La’an Noonian-Singh (Christina Chong).

Die diesjährige La’an-Folge fügt eine weitere bekannte Ebene hinzu: ein Holodeck-Abenteuer. Obwohl diese Technologie zur Zeit der Serie eigentlich noch gar nicht im Einsatz ist. Die Folge liefert eine Erklärung. Doch letztlich wirkt es, als wolle das Kreativteam einfach ein Holodeck-Szenario bieten, Sixties-Kostüme zeigen und Paul Wesley die Gelegenheit geben, eine William-Shatner-Parodie abzuliefern.

(*) Wesleys Kirk ist bislang der enttäuschendste Aspekt von „Strange New Worlds“. Natürlich besteht die Gefahr, bloß eine Shatner-Karikatur abzuliefern. Doch Chris Pine hat gezeigt, dass man den Geist von Captain Kirk verkörpern kann, ohne… so… zu sprechen… wie… er. Ebenso schaffen es Ethan Peck und Celia Rose Gooding, die Essenz von Nimoys Spock und Nichelle Nichols’ Uhura zu treffen, ohne bloße Kopien zu sein. Wesleys Kirk hingegen wirkt wie ein völlig anderer Charakter mit gleichem Namen.

Dennoch bleibt selbst „Strange New Worlds“ auf B-Niveau eine der stärkeren Serien des CBS-All-Access-/Paramount+-Zeitalters. Was nicht gerade für den Gesamtzustand des Franchises spricht. Bei „Trek“ versuche ich, es wie Gene Roddenberry zu halten. Und mir die optimistischste Zukunft vorzustellen. Vielleicht wird „Starfleet Academy“ mit Hunter und Giamatti überraschend großartig? Vielleicht bringt der Skydance-Deal frisches Geld und Mut für Neues? Und vielleicht bekommen wir endlich eine Live-Action-Serie mit völlig neuer Crew, die nicht zwischen bestehende Serien gequetscht ist? Star Trek hat lange gelebt. Aber wirklich gedeiht es nur noch gelegentlich.