Ja, „South Park“ hat es getan — und es ist herrlich

In einem Moment, in dem Hollywood und die Medien von Angst gelähmt sind, griffen Trey Parker und Matt Stone zum Mikrofon und lieferten eine gnadenlose Abrechnung mit Trump und Paramount

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Dieser Beitrag enthält Spoiler zur ersten Folge der 27. Staffel von „South Park“, die auf Paramount+ gestreamt werden kann.

Fast drei Jahrzehnte nach dem Debüt von „South Park“ beweisen die Schöpfer Trey Parker und Matt Stone immer noch ein perfektes Gespür für Timing.

Die Auftaktfolge der 27. Staffel mit dem Titel „Sermon on the ‘Mount“ erschien eine Woche nachdem CBS die „Late Show with Stephen Colbert“ abgesetzt hatte. Offenbar, um der Trump-Regierung entgegenzukommen und den Weg für eine Fusion zwischen der CBS-Mutter Paramount und Skydance Media zu ebnen. Nur wenige Tage zuvor hatten Parker und Stone einen neuen Fünfjahresvertrag über 1,5 Milliarden Dollar mit Paramount abgeschlossen. Der ihnen die Streamingrechte an „South Park“ sichert. Das bedeutete auch, dass diese neue Folge erstmals am Folgetag auf Paramount+ verfügbar war. Und nicht mehr wie bisher auf HBO Max. Die Folge erschien zudem am Vorabend des Auftritts von Parker und Stone auf einem Panel bei der San Diego Comic-Con. Selten standen die Sterne so günstig, um den größtmöglichen Angriff auf das größtmögliche Ziel zu starten. Genau in dem Moment, in dem sie selbst im größtmöglichen Rampenlicht stehen. Und sie haben es voll ausgenutzt.

Satire auf Trump, Christentum und Cancel Culture

„Sermon on the Mount“ beginnt mit einer lokalen Geschichte im kleinen Colorado-Städtchen. Cartman ist entsetzt, dass die Regierung NPR abgeschafft hat. Einen Sender, den er nur hörte, um über die jammernden liberalen Stimmen zu lachen. Während andere Symbole der Wokeness verschwinden – etwa PC Principal, der nun Jesus Christus persönlich an die Schule holt und sich in Power Christian Principal umbenennt – durchläuft Cartman eine existenzielle Krise. Denn wenn niemand mehr liberale Werte vertritt, verliert seine eigene Persona ihren provokativen Reiz. Unterdessen protestiert Stans Vater Randy dagegen, dass Jesus an einer öffentlichen Schule auftaucht. Und überzeugt seine Hinterwäldlerfreunde davon, dass der Präsident es vielleicht übertrieben hat. Sie vermuten, dass es sich bei POTUS um Mr. Garrison handelt. South Parks Trump-Ersatz aus den späten 2010ern. Doch der hat sich aus der Politik zurückgezogen, um Zeit mit seinem Freund Rick zu verbringen.

Im Weißen Haus wird derweil ein animierter Trump gezeigt. Mit fotorealistischem Kopf und flatterndem Mund. Eine typische Darstellung von Kanadiern in „South Park“. Und in kürzester Zeit als: ein schamloser Betrüger, der eine fundamentalistisch-christliche Agenda nutzt, um Geld vom Staat und dem Volk zu stehlen. Ein weinerlicher Narzisst, der jeden verklagen will, der ihm nicht zu Füßen liegt und der sich weigert, seine Mikropenisgröße zu akzeptieren. Sowie ein Diktator, der – wie Saddam Hussein im „South Park“-Film – buchstäblich mit dem Teufel im Bett liegt. Und auch diesmal ist Satan nicht glücklich in dieser Beziehung. Wahrscheinlich ist er sogar noch unglücklicher.

Paramount und CBS bekommen ihr Fett weg

Es ist ein gnadenloser, kompromissloser Angriff auf Trump. Einschließlich animierter Frontalansicht des besagten Mikropenis. Und das in einer Zeit, in der so viele Medienschaffende – insbesondere auch Parkers und Stones eigene Chefs bei Paramount – zu verängstigt sind, um darauf hinzuweisen, dass sich der Präsident wie ein Faschist verhält. Oder dass er im Grunde nur sich selbst und seine eigenen Interessen verfolgt. Die Folge geht auch hart mit Paramount ins Gericht. CBS-Nachrichtenreporter werden als zu ängstlich dargestellt, um etwas zu sagen, das POTUS verärgern könnte. Aus Angst vor Klagen. Selbst Jesus ist nur zurück nach South Park gekommen, weil er verklagt wurde. Und auch er ist unglücklich darüber, welche Verbrechen in seinem Namen durch Trump verübt werden. (Der Folgentitel spielt übrigens auf „Paramount“ an.)

Randys Freunde behaupten, dass das nicht das sei, wofür sie bei Trump gestimmt haben. Mitgefühl sei doch nicht schlecht. Und es sei okay, sich wenigstens ein bisschen um die Umwelt zu kümmern. Doch schließlich werden auch sie in Grund und Boden geklagt und müssen dem Präsidenten Millionen zahlen. Sowie einen Unterstützungs-PSA aufnehmen. Leider ist das Resultat eher geeignet, Trump weiter zu erzürnen. Sowohl die leicht fiktionalisierte Figur in der Serie als auch den echten Bewohner der Pennsylvania Avenue 1600.

Dann folgt eine KI-generierte Live-Action-Sequenz. Trump wandert durch eine Wüste. Zieht sich Stück für Stück aus. Bis sein nackter, übergewichtiger Körper im Sand zusammenbricht. Schließlich erscheint sein Mikropenis, mit Kulleraugen und quietschiger Stimme. „Ich bin Donald J. Trump, und ich genehmige diese Botschaft.“

South Park sagt, was andere sich nicht trauen

Ironischerweise sind es gerade Parker und Stone, die so hart gegen Trump austeilen – obwohl South Parks Grundphilosophie lange war, dass es dumm ist, sich für irgendetwas zu interessieren, und dass zwischen den zwei großen US-Parteien kein wirklicher Unterschied bestehe. Diese Haltung hat Generationen geprägt, die mit der Serie aufgewachsen sind – und vielleicht dazu beigetragen, ein Umfeld zu schaffen, in dem ein selbstverliebter Betrüger wie Trump zweimal gewählt werden konnte.

Gleichzeitig haben Parker und Stone gelegentlich Reue über ihre frühere Haltung gezeigt: 2006 verspotteten sie Al Gores Warnungen vor dem Klimawandel, 2018 war dann das Ziel ihrer Satire die Leugner des Klimawandels – Gore bekam in der Folge sogar eine wörtliche Entschuldigung von den Figuren.

Gerade ihre lange Geschichte der Verspottung von Ernsthaftigkeit macht Parker und Stone jedoch zur idealen Plattform für eine solche Episode. Colbert wurde abgesetzt, weil Trump keine Witze über sich verträgt – doch Colbert predigte ohnehin nur zum bereits bekehrten Publikum. Dass nun South Park diese brutale Abrechnung liefert – und das so direkt und unbarmherzig –, hat wesentlich mehr Wirkung als alles, was ein offen liberaler Late-Night-Host je sagen könnte. (Ganz zu schweigen davon, dass wohl kein anderer Comedian einen sprechenden Kulleraugen-Penis inszeniert hätte.)

Verzweifelte Zeiten erfordern unkonventionelle Verbündete – auch wenn deren Unterstützung nur temporär ist. Parker und Stone sind politisch schwer einzuordnen und es wäre keine Überraschung, wenn in der nächsten Folge AOC in einem Bikini-Wettbewerb auftaucht – einfach nur, um das Gegenteil der gängigen Meinung zu vertreten.

Trump reagiert (noch) nicht – Parker und Stone genießen den Moment

Das Weiße Haus veröffentlichte eine Erklärung, in der es die Episode kritisierte, aber Trump selbst hat sich zum Zeitpunkt dieses Artikels noch nicht geäußert. Alles, was er sagt oder postet, wird jedoch nur noch mehr Aufmerksamkeit auf diese unvorteilhafte Darstellung lenken – und Selbstbeherrschung war nie seine Stärke.

Unterdessen sprechen Parker und Stone heute vor 6.000 Menschen in Halle H des San Diego Convention Centers – ihre Worte werden sofort über das Internet verbreitet. Angesichts ihrer gewohnten Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten – auch jenen, die sie bezahlen – wäre es nicht überraschend, wenn sie diese Episode genau deswegen veröffentlicht haben: um der FCC die Genehmigung des Skydance-Deals zu vermiesen oder in der Hoffnung, dass Trump sie tatsächlich verklagt. 1,5 Milliarden Dollar sind die Definition von „Fuck you“-Geld – und ein Rechtsstreit würde nur noch mehr Zuschauer anlocken, nicht zuletzt für eine Show, über die man heutzutage kaum noch so lautstark redet wie in den Neunzigern und Nullerjahren.

In kritischen Zeiten müssen manche Dinge laut ausgesprochen werden – selbst wenn sie von albernen Peniswitzen begleitet werden. Während sich so viele ihrer Kollegen nicht einmal zu halbherzigen Kritiken durchringen können, ziehen Parker, Stone und South Park einfach durch. Die Motive sind zweitrangig. Spät in der Episode beendet Cartman seinen Suizidversuch, nachdem Butters ihn davon überzeugt hat, dass es immer Hoffnung auf eine Rückkehr in eine Welt gibt, in der Cartmans hasserfüllte Trollerei wieder eine Minderheitsmeinung ist, die sich gegen den Mainstream richtet. Mögen wir alle auf dasselbe hoffen.