David Byrne: Kommt die Reunion der Talking Heads?

Das Modell „Legacy Band“ kann Millionen einbringen. Künstlerisch ist es eine Falle

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Unter dem philosophischen Titel „Who Is The Sky?“ tritt David Byrne Anfang September noch einmal mit einem neuen Studioalbum an die Öffentlichkeit. Sein letztes Solo-Projekt „American Utopia“ liegt nun sieben Jahre zurück. Auch eine große Tour steht an, Anlass genug für einen Blick zurück nach vorn.

Rückkehr auf die Bühne mit neuem Material

Der 73-jährige sagte in einem Interview mit dem amerikanischen Rolling Stone, dass er bei den kommenden Shows wahrscheinlich einige Songs der Talking Heads in sein Set „einbauen“ wird.

Obwohl er sich bewusst ist, dass dies zur „echten Falle“ werden kann. „Wenn man zu viel älteres Material spielt, wird man zu einer Legacy-Band, die nur noch ihre alten Hits spielt“, erklärt er. „Man verdient zwar schnell Geld. Doch letztlich gräbt man sich selbst ein Loch.“ Statt Weiterentwicklung wird man zum Gefangenen der eigenen Geschichte.

Die Gefahr, zur „Legacy Band“ zu werden

Dabei ist das Modell „Legacy Band“ spätestens seit der spektakulären (Live-)Reunion von Oasis zu einem Mega-Multimillionen schweren Geschäftsmodell geworden. Das funktioniert natürlich nur, wenn das Vermächtnis, also die „legacy“, der jeweiligen Formation groß genug ist, um Nostalgie zu einer Währung zu machen und in möglichst vielen Ländern Publikum im Arenaformat zu ziehen.

Im Falle Talking Heads sind die Chancen für ein gemeinsames Comeback rund 34 Jahre nach ihrer Trennung eher gering.

Wiedersehen beim Toronto International Film Festival

2023 traten Bryne und seine ehemaligen Bandkollegen – Chris Frantz, Tina Weymouth und Jerry Harrison – zwar zum ersten Mal seit 2002 wieder gemeinsam auf. Doch das passierte im Rahmen des Toronto International Film Festivals, um die Wiederveröffentlichung ihres Konzertfilms „Stop Making Sense“ zu feiern.

Damals geisterte ein Angebot von 80 Millionen Dollar durch die Branchendienst, sollte sich das Quartett doch noch zu einer (Retro-)Tour entschließen.

„Wir waren alle sehr stolz auf diese Show und den Film von Jonathan Demme“, so Byrne in der Rückschau. „Begeistert auch darüber, dass das Publikum ihn immer noch sehen wollte. Also haben wir unsere Differenzen beiseite gelegt. Ich sagte: ‚OK, wir werden nicht groß auf Tour gehen. Doch wir werden helfen, diesen Film noch einmal zu promoten.‘“

Kein Interesse an einer Reunion-Tour

Byrne räumte zwar einen gemeinsamen ein. Dennoch habe Toronto die Idee einer musikalischen Wiedervereinigung nicht attraktiver gemacht habe.

„Musikalisch habe ich mich ganz anders entwickelt. Zudem hatte es bereits eine ganze Reihe von Reunion-Alben und -Tourneen gegeben. Einige davon waren vielleicht sogar gut. Aber nicht sehr viele. Es ist nahezu unmöglich, den Punkt wiederzufinden, an dem man damals in seinem Leben stand. Für das Publikum war das zu einer bestimmten Zeit prägende Musik. Sie mögen sich einreden, dass sie das wieder erleben können. Doch aus kreativer Sicht geht das nicht.“

Warum die Vergangenheit nicht zurückkommt

Für die ständigen Bitten und Spekulationen der Fans hegt er aber Verständnis.

„Ich bin ein Musikfan wie andere auch. (…) Aber man merkt auch, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann. Wenn man Musik zu einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben gehört hat, kann das viel bedeuten. Aber es geht nicht, dass man dorthin zurückkehren und es wieder geschehen lassen kann.“

Die Geschichte der Talking Heads

Als New Yorker Originale existierten die Talking Heads seit der Urphase von Punk und New Wave von 1975 bis 1991. In ihrer 16-jährigen Karriere entstanden acht Studioalben. „Speaking in Tongues“ (1983) war ihr erfolgreichstes Album und erreichte Platz 15 der US-Billboard-Charts, die Single „Burning Down the House“ kam auf Platz 9 in den USA und wurde auch international ein Mainstream-Hit.

Obwohl sich die Gruppe erst 1991 offiziell auflöste, fanden die letzten Live-Auftritte bereits sieben Jahre zuvor im Rahmen der „Speaking in Tongues“-Tournee 1984 statt. Später kamen sie 2002 für einen einzigen Auftritt anlässlich ihrer Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame wieder zusammen.

Ralf Niemczyk schreibt freiberuflich unter anderem für ROLLING STONE. Weitere Artikel und das Autorenprofil gibt es hier.