King Princess
„Girl Violence“ – Großer, wilder, brutaler Spaß
Section 1/Virgin (VÖ: 12.9.)
Die multitalentierte Mikaela Straus hat sich mit ihrer sehr eigenen Version von Popmusik unabhängig gemacht.
Manchen Leuten scheint einfach alles im Leben zu gelingen, und das auch noch mit einer fast unverschämten Leichtigkeit. Mikaela Straus, 1998 in Brooklyn geboren, ging früh mit ihrem Vater in dessen Tonstudio und lernte alle möglichen Instrumente. Nebenbei brachte sie sich das Songschreiben bei. Mit vierzehn bekam sie ein Stipendium für eine Privatschule, nachdem sie ein Demo dorthin geschickt hatte. Klar, dass sie berühmt werden würde, ja werden musste.
Ihr Debüt, „Cheap Queen“ (2019), und „Hold On Baby“ (2022) veröffentlichte sie auf Mark Ronsons Zelig-Label, einer Sony-Tochter, die Dessner-Brüder (The National) wollten mit ihr arbeiten, sie trat bei Coachella und Glastonbury auf. Seit Neuestem spielt sie auch noch in der Serie „Nine Perfect Strangers“ mit, und ihr apartes Gesicht hat mehr Ausdruckskraft als das von Nicole Kidman. Some girls have all the luck! Aber so einfach ist es dann natürlich doch nicht, ganz und gar nicht. Es fängt damit an, dass Mikaela Straus sich ja nicht umsonst „King Princess“ nennt: Sie versteht sich als nicht-binär, das stellte sie 2023 klar. Weibliche Pronomen sind für sie allerdings weiterhin okay. (Sollte man auch erwarten von einer, die „Pussy Is God“ geschrieben hat.) Und während sie von manchen schon als die neue Fiona Apple gesehen wurde und von anderen als die bessere Lily Allen, zerbrach ihre Beziehung, sie zog zurück nach Brooklyn und trennte sich von ihrem Major-Label.
Weitermachen und laut bleiben!
Ihr drittes Album, „Girl Violence“, ist eine Unabhängigkeitserklärung, die immer noch auf unwiderstehliche Pop-Melodien und einen direkten Synth-Sound setzt, aber auch herrlich kaputte Momente zulässt, in denen alles auseinanderfällt. Gleich beim ersten Stück, dem Titelsong, erzählt sie davon, dass Frauen ebenfalls brutal sein können – und doch fühlt sie sich zu ihnen hingezogen: „I guess it’s true love/ Cuz it truly fucks with me.“ Wie beim aktuellen Wet-Leg-Album ist auch hier das Wort „fuck“ sehr beliebt. Alle Stücke sind auf die eine oder andere Art verzwickte Liebeslieder, ob das somnambule „I Feel Pretty“ oder das aggressive „Cry Cry Cry“, dessen Chorus perfekt fürs Radio wäre, wenn sie nicht wieder so viel fluchen würde. Dabei schmuggelt sie sogar noch etwas Humor rein: „Everybody wants me/ Just ask your man, babe!“
Fast alle dieser wilden, verzweifelten, aufregenden Songs bleiben unter drei Minuten, so ist „Girl Violence“ schnell vorbei – aber hallt lange nach. Mal schmeichelt sich Straus’ Stimme ins Ohr, dann beißt sie es genussvoll ab. In „Girls“ singt sie: „Girls/ Bring me to my knees“, doch sie hört sich nicht an, als würde sie sich jemals in die Knie zwingen lassen. Und wenn, dann nur zum Spaß! So wie es die Single „RIP KP“ andeutet – das am heftigsten groovende Stück, samt etwas Stöhnen. „My girl could destroy your life/ Like she did to mine“, warnt sie. Die Zerstörung klingt verdammt verführerisch. „Slow Down And Shut Up“ ist ähnlich sexy – und ein Ratschlag, den Mikaela Straus auf keinen Fall annehmen sollte. Weitermachen und laut bleiben!
Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 9/2025.