Apache 207 und „21 Gramm“: Der große Gatsby aus Ludwigshafen
Der Hardcore-Schmuse-Rapper zwischen Neckar und Rhein ringt die eigene Männlichkeit nieder: „21 Gramm“ von Apache 207.
Wie in Kreisen internationaler Mega-Rapper und Beyonces üblich, so pflegen auch die deutschen Superstars eine Aura der Unnahbarkeit. Und dazu gehört: Fuck Pressearbeit! Keine Vorab-„Tapes“ zu „21 Gramm“. Keine Interviews. Dafür sind im Vorfeld vier Single-Kopplungen aus dem vierten Album raus, garniert mit teilweise sehr aufwändigen Videos. Man hat ja reichlich Budget in der Portokasse.
Vorab: Einen offensichtlichen Hit aus der Preisklasse Helene Fischer, wie seinerzeit bei „Roller“ (2019), hat der Mannheim/Ludwigshafener Lokalmatador Apache 207 diesmal nicht im Köcher. Dafür aber die Hymne „Morgen“, die bereits Ende Mai auf Platz Drei der Mediacontrol-Charts kletterte. „Dir sagt sie, sie will ein’n Mann, der sie bedingungslos liebt. Mir sagt sie, dass sie gepierced ist, da, wo es niemand sieht“, heißt es im gewohnten Harte-Liebe-Duktus im Auftaktsong „8 Uhr“.
Volkan Yaman, so sein bürgerlicher Name, orientiert sich dabei dabei an der Perspektive des getriebenen Schmerzensmannes, mit der The Weeknd, alias Abel Tesfaye, weltweit die Arenen füllte. Eine Meditation über Erfolg und die Schattenseiten des Erfolgs, adressiert an die Mädels und Jungs da draußen. „Schick mir keine Nudes, Baby, schick mir deine Bestzeiten. Denn ich bin auf der Überholspur ohne Bremsstreifen.“ Die Show muss unerbittlich weitergehen, mit moderaten Beats und einem Trip-artigen Refrain: „Mama sagt: „Gib auf dich acht Uhr morgens“ (Uh, uh, uh, uh) – Bei Champagner-Regen nicht leicht (Uh, uh, uh, uh) – Übersee-Models mit Apostrophen Demnach, nur eine Aschewolke bleibt (Uh, uh, uh, uh)“
Zwischen Genie und Ghetto-Glamour
Tolle Zeilen zwischen Genie und Baden-Württemberg-Ghetto-Quatsch. Weil der Apache ja ein großer Könner seiner Zunft ist, gibt es über die 15 Tracks stete Tempo- und Stimmungswechsel. Ergo: Eine sehr unterhaltsame Produktion, die sowohl in einem Nachmittags-Cafe mit Shisha-Betrieb als auch in Clubs ohne derben Baller-Charakter laufen kann. Die zur Schau gestellte Tiefgründigkeit ist nicht immer überzeugend, manchmal auch unfreiwillig komisch. Protzen mit 911er-Porsches (immer geschmackvoller als die üblichen „Lambos“, „10.000-Euro-Suiten im Radisson“ (was nicht gerade die Ober-Luxus-Liga darstellt, aber egal) und ähnliche vom Bordstein-zur-Skyline-Erzählungen sind wohl nicht zu vermeiden.
Immerhin ist der 2-Meter-Mann aus der „Gartenstadt“ in Ludwigshafen in der Lage, diesen Bling-Bling-Talk durch sehr eigenwillige Gedankensprünge zu brechen. In „GWHF“ (also girls wann have fun) tanzen im Video die Ladies wie in einer modernen Westside Story. Apache flankiert: „Das Motiv hinter jeder Intimrasur. Samstagabend, circa zweiundzwanzig Uhr. Mann, wir sind die Augenbraue, die man in die Höhe zieht“. Es reicht, dass man nur so ungefähr versteht, was dabei Phase ist. In etwa: der große Gatsby unserer Tage.
Der große Gatsby aus Ludwigshafen
Der ebenfalls bereits vorab veröffentlichte „Schlüsselsong“ ist natürlich „Mann_Muss“, eine hintergründige Abrechnung mit dem Männerkult von einem Macho-Großdarsteller. Allein die Idee, das Boot Camp für knallharte Typen „Mann_Heim“ zu nennen, ist großes Cineplex-Kino. Yaman stellt den Machismo mal eben in historische Dimensionen: „Von manchen gehasst und von manchen geliebt. Gehe nicht zur Therapie, weil es nicht an mir liegt. Es ist wie ein Fluch, schon seit tausenden Jahr’n. Dafür steh’n wir mit unsern Nam’n“.
Das coole Kraftmeiern und gleichermaßen das Ringen mit ebenjener Kraftmeierei bekommt in „21 Gramm“ eine neue Dimension. (Feeder/Four Music).