Charlie Brown und Co: Als Jazz in die bekannteste Comic-Serie der Welt kam
Die „Peanuts“ feiern 75 Jahre: Von Schulz’ Comicstrip bis zu Vince Guaraldis Jazzklassiker prägen sie Popkultur und Musikgeschichte.
Der coolste Hund der Welt, der liebenswerteste Versager und die brachialste große Schwester. Auch 75 Jahre nach ihrer Geburt sind die „Peanuts“ weltweit allgegenwärtig. Auf T-Shirts, Kaffeetassen und in den Köpfen von zig Millionen von Menschen.
Selbst wenn die Urform des Comics als kurzer, gezeichneter Bildstreifen in schwarz-weiß längst im Museum gelandet ist, so lebt seine Story munter weiter. In allen nur denkbaren (medialen) Formen.
Der wohl bekannteste „Strip“ der Welt mit Charlie Brown und Co, erschaffen von Erfinder Charles M. Schulz, erschien im Oktober 1950 zum ersten Mal Anfang in sieben Tageszeitung der USA. Der noch zarte Start einer sagenhaften Erfolgsgeschichte.
Die Musik von Vince Guaraldi
Auch in der Popmusik haben die „Peanuts“ viele Spuren hinterlassen. Als Kinder einer amerikanischen Provinzstadt können die Haupt-Charaktere der Serie als die Ur-Nerds schlechthin gelten. Allein schon der manische Klavierspieler „Schröder“ (der auch im US-Original so heißt!) mit seinem Beethoven-Fimmel ist ein Archetyp des introspektiven Fricklers im Proberaum oder Home Studio.
Und selbst wer den Langform-TV-Comic „A Charlie Brown Christmas“ nie gesehen hat, kennt die Musik. Vince Guaraldis jazzige Kompositionen wie „Skating“ oder „Christmas Time Is Here“ sind weiterhin präsent. Das berühmteste Stück des Soundtracks „Linus and Lucy“ war ursprünglich nicht für den Weihnachtsklassiker gedacht.
Die Story passt zum Sujet der „Peanuts“: 1963 drehte Produzent Lee Mendelson eine Dokumentation über Zeichner Charles M. Schulz und sein Universum. Auf der Rückfahrt von einem Treffen hörte er im Radio Guaraldis „Cast Your Fate to the Wind“. Ein melodisches, luftiges Jazzstück, das ihn sofort begeisterte. Kurz darauf kontaktierte er den Komponisten. Guaraldi war Feuer und Flamme und spielte Mendelson wenig später ein brandneues Stück am Telefon vor: „Linus and Lucy“. Es passte perfekt zu den Peanuts-Figuren.
Die Doku fand keinen Sender, aber Coca-Cola war auf der Suche nach einer Weihnachts-Sendung. Damit war die Grundlage für „A Charlie Brown Christmas“ gelegt. Schulz wollte eine Mischung aus klassischer Weihnachtsmusik und Guaraldis Jazz. Frühere Stücke wurden neu arrangiert und um Originalkompositionen ergänzt.
Der Kultstatus von „A Charlie Brown Christmas“
Guaraldi – ein selbsternannter „reformed boogie-woogie piano player“ – verlieh der Sendung mit seinem luftigen, kindlich-leichten Jazzsound eine unverwechselbare Atmosphäre. Das Stück „Linus and Lucy“ wurde zum Herzstück der berühmten Tanzszene, wo die Kinder begeistert durch die Gegend grooven. Und auch „Christmas Time Is Here“, ursprünglich ein Instrumental, erhielt von Mendelson selbst in letzter Minute einen Text.
Als das Special 1965 ausgestrahlt wurde, rechnete niemand mit einem Erfolg. Kein Lachen vom Band, echte Kinderstimmen und eine introvertierte Erzählweise – alles sprach gegen den Mainstream. Doch die Resonanz war gewaltig: 36 Millionen Zuschauer, ein Emmy, ein „Peabody Award“ – und ein Soundtrack, der bis heute Kultstatus hat. Mit über vier Millionen verkauften Exemplaren und Einträgen in diversen Chroniken gehört „A Charlie Brown Christmas“ zu den einflussreichsten Jazzaufnahmen des 20. Jahrhunderts.
„Es war das erste Mal, dass Jazzpiano in einem Zeichentrickfilm verwendet wurde“, sagte Pianist David Benoit später. „Ich glaube, dass Vince Guaraldis Musik ein ganz wesentlicher Teil des Erfolgs war.“
Popkulturelle Spuren der „Peanuts“
Neben der atmosphärischen Nähe vieler Bands und Solisten zur komplexen Psychologie der „Peanuts“ gibt es im Pop auch zahlreiche direkte Referenzen. Die italienische Ausgabe des ROLLING STONE packte etwa den „Penauts“-Beagel Snoopy als Fashion-Ikone in den 2010er-Jahren auf das Cover.
Das japanische Pop-Duo The Peanuts, ein erfolgreiches Zwillingsschwestern-Duo Emi und Yumi Itō, wirkte von in den Sechzigern und Siebzigern auf der Insel und war für seinen unverwechselbaren zweistimmigen Gesangsstil bekannt. The Peanut Butter Conspiracy hingegen, die psychedelische Rocktruppe aus dem Los Angeles der Sechziger, bezieht sich auf die amerikanische Frühstücks-Droge Erdnussbutter. Der Song „Charlie Brown” von den Kuschel-Rockern Coldplay ist ein direkter Link in das Franchise-Imperium, das Mastermind Charles M. Schulz nach seinem Tod im Februar 2000 hinterlassen hat: „Be a cartoon heart, Light a fire, a fire a spark, Light a fire, a flame in my heart, We’ll run wild, We’ll be glowing in the dark.“