The Who

„Who Are You“

Universal (VÖ: 31.10.)

Das unterschätzte letzte Album mit Keith Moon.

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Bandbiografisch betrachtet galt das letzte Who-Album mit Keith Moon immer als vertane Chance: Ausgerechnet Pete Townshend, der den Punk verstand wie kein anderer Rockstar der ersten Generation, ging 1978 mit der geforderten Erneuerung des Sounds seiner eigenen Band in genau die verkehrte Richtung: Noch mehr Synths, Streicher, Bläser, Klassik-Anleihen und ein angejazzter Zugang zum Leadgitarrenspiel. Sehr kompetent und bombastisch, das alles, aber auch tragisch unhip zu Zeiten der knackigen New Wave.

Sehr kompetent und bombastisch, das alles, aber auch tragisch unhip zu Zeiten der knackigen New Wave

47 Jahre später bzw. knapp drei Jahrzehnte nach dem letzten Remaster (1996) hat „Who Are You“ nun seine dritte Chance verdient. Und siehe da, der beschwingte Erwachsenen-Rock von „New Song“, „Sister Disco“ oder Bassist John Entwistles „Had Enough“ verströmen eine durchaus aparte, hochbudgetär cheesy TV-Theme-TuneÄsthetik. Der Titelsong wiederum wurde durch seinen tatsächlichen Gebrauch im Fernsehen („CSI“) inzwischen zum Klassiker befördert.

Am meisten gewonnen hat aber wohl „Love Is Coming Down“, das sich hier als vergessener Klassiker in Townshends Œuvre entpuppt. Und zwar sowohl im überproduzierten Original als auch in einer umwerfend schönen Skizzenversion mit Townshend an der Akustischen und Ex-Zombie Rod Argent am Klavier auf CD 3 der Super-Deluxe bzw. CD 2 der Deluxe-Version. Aber leider nicht auf der 4-LP-Box, die sich zu drei Vierteln einer Kombination zweier grandioser Live-Mitschnitte der ersten US-Tour nach Moons Tod widmet. Aufgenommen Ende 1979 in der Woche nach der Katastrophe von Cincinnati, wo elf Fans in einer Massenpanik ihr Leben verloren, verbinden sich diese historischen Dokumente mit dem vorangegangenen Studioalbum zur makabren Geschichte vom Überleben einer Rockband.

Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 11/2025.