„Avatar: Fire and Ash“ enttäuscht: Warum Cameron sein eigenes Werk kopiert

210 Minuten, hunderte Millionen Dollar – und trotzdem nur ein Aufguss von Teil 2. Warum „Fire and Ash“ mehr vom Gleichen statt Innovation bietet.

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Für viele hunderte Millionen Dollar hat James Cameron mit „Avatar 3“ ein Quasi-Remake seines Films „Avatar 2“ drehen dürfen, dabei ist der Kinostart des Vorgängerfilms nur drei Jahre her. Wieder muss Jack Sully seine Familie zusammenhalten. Erneut will Colonel Quaritch ihm seinen eigenen Sohn, Newt alias Monkey Boy alias Jack, aus den Fängen entreißen. Die Na’vi reiten auf ihren Kampfvögeln in Russenhocke. Und wie gewohnt zerfetzen deren Kampfvögel die Kampfhubschrauber der „Männer vom Himmel“.

Die Set Pieces in „Avatar: Fire and Ash“ sind dieselben wie in „The Way of Water“, Teil 2 der Saga. Action unter Wasser, in der Luft und auf dem Deck eines Tankers. Anschleichen, Zielfernrohr richten, Familienmitglieder befreien, dabei deren Leben riskieren. Noch stärker offenbart sich in diesem Film die Erkenntnis, dass die Natur sich mit Gewalt gegen Kolonialisten wehren muss. Die Na’vi, sogar die Wale, sogar die „Mutter“ des Planeten Pandora, die im Inneren der Erde weilende, an Kubricks Spacechild erinnernde Gottheit, sind zu bellizistischen Grünen geworden.

Wenn selbst ein menschlicher Meeresbiologe zum Überläufer wird und mit dem Monstertruck aus Verzweiflung die dampfenden Bauten einer Industriestadt demoliert, ist wohl klar, dass dem Menschen auf jenem Planeten Einhalt geboten werden muss.

Content-Überproduktion statt Weltenbau

James Cameron dreht seine jüngeren „Avatar“-Filme parallel, was nicht zu einer Ausdifferenzierung dieser Welt, sondern zu einem Mehr derselben Schauplätze geführt hat. Vielleicht das Ergebnis einer Content-Überproduktion, die er einfach über seiner Idee von Pandora ausgekippt hat. Camerons „Es gibt noch viel auf Pandora zu entdecken!“-Mantra entpuppt sich als leeres Versprechen. Vielleicht schickt er seine Na’vi einfach mal in die Minen von Moria oder zum eisigen Piz Gloria? Ein Kulissenwechsel als Ausweg von Dschungel und Disney’s Sea World.

Ausgerechnet die Vulkanwelt der „Ash People“, ein neu vorgestellter Clan, angeführt von der Pazuzu-artigen Tsahik, bleibt als neues Terrain nahezu unentdeckt. Tsahik wird gespielt von Oona Chaplin. Sie macht das sehr gut. Nur ist sie genauso schlecht zu erkennen wie Kate Winslet als Ronal. Sam Worthington, den heute keiner mehr kennt, darf sich, wenn alles gut läuft, wiederum freuen, in bald drei der fünf erfolgreichsten Filme aller Zeiten mitgespielt zu haben.

Aber wer ist hier wer? „Avatar: Fire and Ash“ dauert 210 Minuten, aber es bleibt nicht mal genügend Zeit, um den Tod einiger nicht unwichtiger Charaktere zu betrauern. Mittendrin der seltsam alterslose Giovanni Ribisi, ein unfreiwillig lustiger Company Man als Comic Relief, der langsam einen Buckel kriegt.

Beeindruckendes Setdesign, langweiliger Protagonist

Das Setdesign der auf Pandora errichteten Stadt der Menschen dagegen ist beeindruckend. Eine Mischung aus Hong Kong, Giedi Prime und den Build-Your-Zombie-Shelter-Games, die einem in den Algorithmus gespült werden. In der Fabrikwelt wird Jack gefangen gehalten. Er sitzt in einem gläsernen Käfig und soll auf seine Hinrichtung warten. Die Menschen der Stadt begaffen ihn, filmen ihn mit ihren Handys. Er ist eine Attraktion, eine Celebrity. Der Soldat, der sich in einen Außerirdischen verwandelt und gegen die eigenen Leute gerichtet hat.

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Dabei ist Sully eine recht langweilige Figur. Der zum Na’vi gewordene Homo Sapiens trägt keinen Zweifel in sich, ob der Mensch sich nicht doch bessern kann. Sully ist ein anderer geworden, die Vergangenheit als Querschnittsgelähmter hat er erfolgreich verdrängt. Die Na’vi haben sowieso gut reden. Nie zur Sprache kommt, dass die Dreimeter-Riesen auf Pandora keine natürlichen Feinde haben. Beim Jagen und Erlegen der lieben Tiere von Pandora werden die Naturfreunde nie gezeigt.

Anders Sullys ehemaliger Vorgesetzter Quaritch, dessen Transformation zum verinnerlichten blauen Giganten sich unbewusst und schrittweise vollzieht. Er ist ein großartiger Antiheld, der dazu verdammt ist, im Live-Die-Repeat-Modus auf Pandora zu wandeln. Ein Gott, der niemals sterben kann. Und ein klasse Typ, der nur in One-Linern redet – wie ein böser Bruder von John „Commando“ Matrix. Allein seine ausschließliche Motivation – Rachegefühle für das abtrünnige Platoon-Mitglied Sully über eine kumulierte Spielfilmdauer von mittlerweile rund sieben Stunden – ist haarsträubend.

All das Getöse in „Avatar: Fire and Ash“ entsteht ja nur, weil ein Menschenjunge auf dem Planeten nicht atmen kann und wegtransportiert werden soll. Irgendwann kann er die Luft dann doch vertragen, nur sollen die Siedler aus der Neuen Welt das nie erfahren. Damit sie sich auf dem Planeten niemals breit machen können. Noch ist Pandora für sie Gift.