ROLLING STONE hat gewählt: Die Alben des Jahres 2025

ROLLING STONE kürt die besten Alben des Jahres 2025.

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Empfehlungen der Redaktion
40

Jasmine.4.T, „You Are The Morning“

Hier bleiben die Boygenius-Frauen Julien Baker, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus als Produzentinnen im Hintergrund und überlassen der britischen Indie-Songwriterin Jasmine Cruikshank das Rampenlicht. Eine wunderbare Sammlung zarter, aber nicht zu zarter Gitarrensongs, fragil und selbstbewusst; die behutsamen Melodien sind Lichter in der Nacht. Und das ist erst Jasmines Debüt! JJ

41

Bad Bunny, „Debí tirar más fotos“

Für den größten Pop-Skandal des Jahres 2025 sorgte der puerto-ricanische Sänger Benito Antonio Martínez Ocasio alias Bad Bunny. Er ist gegenwärtig der größte Latin-Pop-Star mit einer gewaltigen Anhängerschaft auch in den USA, darum soll er im kommenden Februar bei der Halftime Show des Super Bowl auftreten, und er hat gleich schon angekündigt, dass er dort wie stets auch wieder nur auf Spanisch singt. Das konservative Establishment schäumte, Donald Trump nannte die Entscheidung „lächerlich“, die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene sagte, es sei „pervers“. Großes Theater! Über dem man fast übersehen könnte, dass Bad Bunny auch ein sehr guter Künstler ist. Er begann seine Karriere Mitte der Zehnerjahre mit eher konventionellem Reggaeton inklusive Auto-Tune-Gesang und sexistischen Texten, doch emanzipierte er sich bald davon. Auf seinem sechsten Album, „Debí tirar más fotos“, befasst Bad Bunny sich nun mit der kolonialen Vergangenheit seiner Heimatinsel und mit dem andauernden Kolonialismus der Gegenwart, und die elektronischen Sounds bereichert er mit handgeschlagenen Trommeln, mit afrikanischen und karibisch-indigenen Klängen und Rhythmen oder mit Musik von einem jungen Salsa-Ensemble. Er zitiert und sampelt Helden der lateinamerikanischen und diasporischen Musikgeschichte, etwa Willie Colón, der den Salsa in den 70er-Jahren in die New Yorker Szene brachte, oder, in dem Stück „Nuevayol“, das seit den 60er-Jahren tätige Orchester El Gran Combo de Puerto Rico. „Debí tirar más fotos“ schlägt den Bogen zurück aus der Gegenwart in die Vergangenheit, es verbindet das Digitale mit dem Analogen, es ist auch die klingende Herkunftsgeschichte einer in alle Welt verstreuten Diaspora. JB

42

Michael Hurley, „Broken Homes And Gardens“

Am 1. April ist der amerikanische Songwriter und Zeichner Michael Hurley im Alter von 83 Jahren gestorben. Das Album mit neuen Songs und neuen Versionen alter Favoriten, das er kurz vor seinem Tod noch fertiggestellt hat, ist eines seiner besten – und eines seiner unheimlichsten. „Nobody wanna die“, singt er vergnügt. „By and by/ Have to give it a try/ Come and take, take me home.“ MB

43

Ron Sexsmith, „Hangover Terrace“

Mit einer beruhigenden Verlässlichkeit produziert Ron Sexsmith praktisch durchgehend gelungene Musik. Stärker noch als zuletzt hat man bei diesem Album das Gefühl, dass die Sounds und Arrangements der inneren Richtschnur des Kanadiers folgen – wohl weil er es selbst produziert hat. Sexsmiths wuschelköpfige Melancholie, die Kinks-Lakonie, die McCartney-Melodie – alles an seinem Platz. JS

44

Wednesday, „Bleeds“

Wednesday aus North Carolina sind wohl unkaputtbar. Sängerin Karly Hartzman (28) und Gitarrist MJ Lenderman (26) haben sich getrennt – und ein fantastisches Album gemacht. „Bleeds“ strotzt vor mitreißenden Indie-Rock-Songs, deren Themenspektrum von Teenager-Liebe („Townies“) über bekiffte Begegnungen („Phish Pepsi“) bis zu True-Crime-Fällen („Carolina Murder Suicide“) reicht. BF

45

The Beths, „Straight Line Was A Lie“

Manchmal genügt es Depressionen nicht, einem als immer größer, immer schwerer, immer bedrohlicher werdender schwarzer Hund hinterherzutrotten. Dann verwandeln sie sich auch mal in knuffig-quirligen Indie-Pop, wie bei „Straight Line Was A Lie“ – und drehen sich mit einem erbarmungslos im Kreis: „I thought I was getting better, but I’m back to where I started/ And the straight line was a circle/ Yeah, the straight line was a lie“, klagt Elizabeth Stokes im Titelsong des vierten und bisher besten Albums der neuseeländischen Band The Beths. Zu Jonathan Pearce’ widerspenstiger Gitarre, Tristan Decks polternden Drums und Benjamin Sinclairs grummelndem Bass singt Stokes auf „Straight Line Was A Lie“ nicht nur Lieder über die Verlogenheit gerader Linien, sondern auch darüber, dass ihr Körper ein blühendes Arrangement aus Bakterien, Kohlenstoff und Licht ist, dass sie sich in guten Momenten wie ein Dämon aus der Hölle fühlt oder dass sie gern während eines Sturms Drachen steigen lassen möchte. Fast immer vertont sie ihren Kampf mit depressiven Episoden. „This year’s gonna kill me“, droht sie etwa in „No Joy“, erzählt von der Taubheit und Lustlosigkeit, die einem die tägliche Dosis Antidepressiva beschert. In dem zartbitteren „Mosquitoes“, dem intimen „Mother, Pray For Me“ oder dem poppig-komplexen „Best Laid Plans“ beweist Stokes ihr großartiges Talent als Songwriterin. Und auch wenn sich The Beths auf dem Album gern zu träumerischen Loops („Til My Heart Stops“) oder zu ungestümen Fuzz-Riffs („Ark Of The Covenant“) um sich selbst drehen, führt einem doch jedes dieser Lieder vor, wie sehr die Band seit ihrem punkig-rotzigen Debüt, „Future Me Hates Me“ (2018), vorangekommen ist. GR

46

Lucy Dacus, „Forever Is A Feeling“

Das Album nach dem Grammy-Erfolg mit Boygenius hat sich vom thematisch der Adoleszenz gewidmeten „Home Video“ (2021) emanzipiert; das Emotionsgebirge bleibt weiterhin beeindruckend, ergreifend, kompromisslos. Lucy Dacus’ Indie-Folk kontrastiert die Gefühlswucht mit aufgeräumter, maßangefertigter Instrumentierung. Phoebe Bridgers und Julien Baker sind auch dabei. ISM

47

Miley Cyrus, „Something Beautiful“

Wer hätte gedacht, dass das große Vanitas-Drama dieses Jahres von Miley Cyrus kommt? Sie setzt mit rauer Stimme voll auf raue Pop-Dekonstruktion: „Something Beautiful“ gräbt tief und sucht nach Erlösung, „End Of The World“ ist ein Song, den ABBA gern geschrieben hätten, und „Reborn“ ein ungestümer, zynisch glimmernder Stampfer. Die düster-traurige Messe einer Musikerin, die zu allem fähig ist. MV

48

Bon Iver, „Sable, Fable“

Justin Vernon tritt mit seinem fünften Album aus der Dunkelheit hervor und schwelgt in Schönheit. Das zweigeteilte Album strotzt vor Lebens- sowie Liebesfreude und steckt voller überraschender Soul-, Country- und Pop-Anklänge, garniert mit dezenten Beats. Vernons Falsettgesang weist nichts Mystisches mehr auf, sondern verkörpert Präsenz, Souveränität und Unverwüstlichkeit. FL

49

Heartworms, „Glutton For Punishment“

Unerschrocken begibt sich Jojo Orme alias Heartworms auf ein Schlachtfeld. Ihr melodiöser Mix aus Gothic Pop und Post-Punk schlägt viele Haken. Zu knarzigen Beats wird in „Warplane“ gar der erbarmungslose Abschuss eines Piloten im Krieg geschildert. Anleihen gibt es viele (PJ Harvey und The Horrors), doch dieser Musik gewordene Exorzismus hat seinen eigenen Puls. MV

50

Destroyer, „Dan’s Boogie“

Dan Bejars Welt war schon immer groß – mit seinem 14. Album ist sie noch umfassender geworden. Der nach Freestyle klingende Boogie bedient sich aller Kunstformen und jeder Menge Musikgenres. Bejars Lackschuh-Indie-Pop setzt sich zusammen aus Piano-Endlosschleifen, weiten Pop-Landschaften und klugen Jazz-Spielereien – verziert mit Bläsern, die den und das Morgen ankündigen. FL