Arne Willander schaut fern: Über das Ende von „Anne Will“

Die Kühle des Debattierens: Nach 16 Jahren gibt Anne Will ihr sonntagabendliches Fernsehparlament in der ARD auf

Würden Claudia Major, Kevin Kühnert und Carlo Masala nicht jeden Abend in einer anderen Talkshow sitzen – wir würden sie vermissen, wenn es „Anne Will“ Ende 2023 nicht mehr gibt. Anne Will wird es weiterhin geben. Aber wird sie je wieder so souverän in der Mitte eines Debattierzirkels sitzen, so elegant die Blätter halten und die Fragen verteilen?

Anne Will war schon zu Beginn der 90er-Jahre beim SFB das, was man beim Rundfunk und beim Fernsehen „ein Talent“ nennt. Sie hatte keine Angst vor dem Mikrofon, keine Angst vor der Kamera. Sie machte Lokalfernsehen. Beim WDR moderierte sie dann „Parlazzo“ und eine Sportsendung. So wurde sie Ende der 90er-Jahre als erste Frau für die samstägliche „Sportschau“, für das Hochamt des Fußballs also, verpflichtet, den Platz, an dem früher Ernst Huberty saß. Und bald moderierte sie die „Tagesthemen“, bei denen noch Ulrich Wickert präsidierte. Die Madonna und der Nussknacker.

Man bekäme wahrscheinlich unwirsche oder keine Antworten, wenn man unfreundlich wäre

Im Jahr 2007 etablierte sie die Diskussionsrunde, die ihren Namen trägt. Fünf oder sechs Gäste werden in 60 Minuten zu politischen Themen befragt, naturgemäß Politiker, Journalisten, Wissenschaftler, „Experten“ also. Angela Merkel wurde allein von Anne Will befragt. Manche fanden dieses Interview zu freundlich, aber all diese Interviews werden als zu freundlich empfunden. Man bekäme wahrscheinlich unwirsche oder keine Antworten, wenn man unfreundlich wäre.

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Anne Will hat eine Art verbindliche Herbheit, ihr Gestus ist fast gemächlich im Vergleich mit den anderen Namensgeberinnen von Talkshows, Sandra Maischberger und Maybrit Illner, den Virtuosinnen des Schnellsprechens. Will beherrscht das Geschehen mit einer unbeeindruckbaren Strenge. Beim G8-Treffen in Rostock war sie 2007 die Reporterin vor Ort. Bono trat in Deutschland mit Herbert Grönemeyer auf, andernorts spielten Pink Floyd noch einmal mit Roger Waters. Andere Berichterstatter waren aufgeregt. Backstage! Anne Will blieb kühl. Rock-Festivals sind Rock-Festivals, und man muss fragen, was das alles der Sache bringt.

Kürzlich befragte sie Greta Thunberg am Rand von Lützerath auf einem Bauernhof. Thunberg hatte vielleicht in der Scheune geschlafen, es war kalt, man trug Gummistiefel. Anne Will sah aus wie eine investigative Öko-Bäuerin. Diese Verwandlungskünstlerin!

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