Campino im Frack: Grinsen für die Royals

Präsidenten-Empfang für King Charles und Camilla in Berlin: Campino, der Sänger der Toten Hosen, erscheint im edlen Zwirn.

Die Bilder gingen um die Welt: Andreas Frege (60) aus dem rheinischen Mettmann winkt im Frack von der Freitreppe des Schloss Bellevue in Berlin. Bekanntlich ist das der Amtssitz von Bundespräsident Walter Steinmeier. Am Mittwochabend gab es hier „Lecker Essen“; um mit Hape Kerkeling in seinem legendären Königin-Beatrix-Sketch zu reden.

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Der Anlass für den royalen Aufmarsch ist der erste Staatsbesuch des britischen Königs Charles, der in seiner Dauerrolle als „Prinz“ schon öfter in Deutschland weilte. So weit, so offiziell. „Überraschende Gästeliste beim Bankett“ vermerkt das „Hamburger Abendblatt“.

Damit ist nicht nur „Let’s Dance“-TV-Jurorin Motsi Mabuse gemeint, sondern auch ebenjener Frege, der vielen bekannter ist unter seinem Punknamen Campino. Sänger einer Band, die in ihren wilden Anfangsjahren gerne für zünftigen Krawall mit Bürgerschreck-Atmo gesorgt hat.

Campino lebt zwischen Deutschland und England

Als Liverpool-Fan, Halb-Engländer und Mann des internationalen Kulturaustausches ist Campino natürlich eine gute, moderne Wahl des Bundespräsidialamtes. Die Präsi-MitarbeiterInnen „kuratieren“ für gewöhnlich solche hochoffiziellen Einladungslisten in langen Nachtsitzungen. Dabei kommt es nicht selten zu Society-Eklats, wenn wie aktuell jemand Prominentes NICHT mitessen darf. Georg Friedrich Prinz von Preußen etwa musste, wie „Der Spiegel“ schnippisch anmerkt, in seinen eigenem Jagdschloss schmoren.

Doch was bedeutet es, wenn nun Campino die deutsche Popmusikszene vor den Augen der Welt vertritt? Normalerweise übernehmen die Scorpions, Herbert Grönemeyer oder auch Marius Müller-Westernhagen solche staatstragenden Aufgaben, mit mindestens vier Gängen und edlen Tropfen von der Mosel (auf dem Menüplan standen übrigens: gebeizter Karpfen mit Brunnenkresse, dann Kraftbrühe vom Heckrind, Weidehuhn und Baumpilz sowie zum Abschluss Backpflaume, ostfriesischer Schwarztee und Sandgebäck). Ist der Frack-Auftritt des Campino gar ein Zeichen der „Zeitenwende“?

Nun ist der Richtersohn, der laut der Kohle-Plattform „Vermögen Magazin“ locker 25 Millionen Euro auf der Hohen Kante zu liegen hat, schon lange kein Underdog mehr. Zwar kokettiert seine Männer-Band, Die Toten Hosen, nur zu gerne mit dem Odem der frühen Punk-Bewegung. Bei Lichte betrachtet sind die neueren Stimmungs-Hits der Hosen, wie etwa „Tagen wie Diese“, längst purer Stadionrock; beliebt nicht nur bei CDU-Stammwählern.

Campino selbst wiederum, was in ihn auch auf gewisser Weise sympathisch menschlich macht, hat schon lange keine Berührungsängste mit der Bling-Bling-Welt mehr. Legendär seine Bussi-Bussi-Fotos mit der Düsseldorfer Society-Lady Ute-Henriette Ohoven (77), die wie kaum eine andere für die Ozelot-Pelz-tragende Schein-Aura der Königsallee („Kö“) steht. Eine Welt, welche die Jung-Hosen stets und heftig attackiert haben.

Tempi Passati: Ein klassischer Fall also von einem „Marsch durch die Institutionen“, hier in der Edel-Punk-Variante?

Ist das noch Punk?

Ja und Nein. Während etwa Herbert Grönemeyer seinen Millionärs-Status schon oft thematisiert hat (siehe etwa sein Album „Luxus“), gefallen die Hosen sich mit einer wohl kontrollierten, abgeschirmten Öffentlichkeitsarbeit. „Im Rahmen einer Wahl des ZDF wurde der Künstler im Jahr 2003 zu einem der 100 größten Deutschen ernannt. Er erreichte immerhin Platz 65“, konstatiert wiederum das „Vermögen Magazin“.

Man darf also gespannt sein, was Campino in seiner Rolle als Establishment-Löwe zum Präsi-Gig sagen wird. Rein privat ist das jedenfalls nicht.

Auch wenn sich jeder Mann und jede Frau natürlich gebauchpinselt fühlen darf, wenn man in solch erlauchten Kreise dinieren darf. Wir wünschen uns jedenfalls ein wenig mehr, äh, Subversion…

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Kurt Cobain jedenfalls hätte ihm Grünes Licht gegeben: „Punk rock should mean freedom, liking and excepting anything that you like. Playing whatever you want. As sloppy as you want. As long as it’s good and it has passion..:“

Andreas Rentz Getty Images
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