Conversion Therapy vor dem Supreme Court: Was auf dem Spiel steht
Seriöse Einordnung zu Conversion Therapy: Argumente im Supreme Court, Kontext zu Trump und Signalwirkung für Staaten – faktenbasiert, klar, ohne Alarmismus.
Gesetze, die Conversion Therapy für Minderjährige in mehr als 20 Bundesstaaten verbieten, sind in Gefahr. Vor dem Obersten Gerichtshof der USA läuft derzeit ein Verfahren, das die Gesetzgebung Colorados auf Grundlage der Meinungsfreiheit anfechtet. Heute hörte das Gericht die mündlichen Ausführungen im Fall Chiles v. Salazar – dem ersten Verfahren dieser Art vor dem Supreme Court.
Der Fall Chiles v. Salazar und seine Bedeutung
Kaley Chiles, eine lizenzierte Therapeutin aus Colorado und bekennende Christin, argumentiert, dass das Gesetz von 2019, das Conversion Therapy für Minderjährige verbietet, ihre Rechte aus dem Ersten Verfassungszusatz verletze. Sie wird von der Alliance Defending Freedom vertreten – einer Organisation, die vom Southern Poverty Law Center als Hassgruppe eingestuft wird.
Religionsfreiheit gegen Schutzpflicht des Staates
Der Bundesstaat Colorado – vertreten durch Patty Salazar, Geschäftsführerin des Department of Regulatory Agencies – hält dagegen: Ziel des Gesetzesgulieren und eine wissenschaftlich diskreditierte Praxis zu unterbinden, die nachweislich schädlich ist. Das Gesetz enthält eine religiöse Ausnahmeregelung für nicht lizenzierte Seelsorger, die in einem religiösen Amt tätig sind.
Zweifel am Gesetz von Colorado
In einer 90-minütigen Anhörung argumentierten die Vertreter von Chiles, das Gesetz verletze die Meinungsfreiheit. Der Anwalt des Bundesstaates Colorado entgegnete, es sei Aufgabe des Staates, Bürger vor gefährlichen Behandlungen zu schützen. Eine Entscheidung wird für Juni 2026 erwartet.
Was auf dem Spiel steht: Minderjährige und Meinungsfreiheit
„Eine zentrale Frage ist, ob ein Staat Conversion Therapy für Minderjährige genauso regulieren kann wie andere schädliche medizinische Praktiken“, sagt Suzanne B. Goldberg, Professorin an der Columbia Law School. Sie betont: „Lizenzierte Anbieter stehen unter öffentlicher Aufsicht – die Gesellschaft muss sich darauf verlassen können, dass sie keinen Schaden anrichten.“
Medizinischer Konsens: Conversion Therapy schadet
Der medizinische Konsens ist eindeutig: Conversion Therapy funktioniert nicht und verursacht nachweislich Schaden. Eine Resolution der American Psychological Association (2021) listet gravierende Folgen auf – darunter Depressionen, Angstzustände, Drogenmissbrauch und Suizidalität. Auch eine Studie des Trevor Project zeigt: LGBTQ+-Jugendliche, die solcher Behandlung ausgesetzt sind, unternehmen doppelt so häufig Suizidversuche.
Stimmen aus Wissenschaft und Aktivismus
Casey Pick vom Trevor Project bleibt hoffnungsvoll, dass die Richter die wissenschaftlichen Beweise berücksichtigen werden.
„Psychische Behandlungen sollten wie medizinische Behandlungen neutral, kompetent und evidenzbasiert sein“, so Pick.
Der Psychologe Douglas C. Haldeman, der seit 1983 mit Überlebenden arbeitet, ist skeptischer: „Wir leben in einer Zeit, in der Wissenschaft und Realität zunehmend infrage gestellt werden. Wenn Politik auf Vorurteilen basiert, sind wir verloren.“
Parallelen zum Fall „U.S. vs. Skrmetti“
Die Anhörung folgt auf ein Urteil, in dem der Supreme Court mit 6:3 Stimmen ein Gesetz aus Tennessee bestätigte, das geschlechtsbejahende Behandlungen für Minderjährige verbietet. Richterin Ketanji Brown Jackson hinterfragte, warum der aktuelle Fall nicht dem „funktionalen Äquivalent“ von Skrmetti entspreche. Goldberg ergänzt: „Es wäre widersprüchlich, wenn Staaten geschlechtsbejahende Therapien verbieten dürfen, aber nicht Conversion Therapy.“
Mögliche Entscheidungen und Folgen
Das Gericht könnte im Juni nicht nur für Chiles oder Colorado entscheiden, sondern auch den Fall an ein untergeordnetes Gericht zurückverweisen.
Goldberg erläutert: „Wenn das Gesetz aufgehoben wird, gefährdet das die Befugnis der Staaten, Bürger vor schädlichen Praktiken zu schützen.“
Gefahr eines Präzedenzfalls unter dem Trump-nahen Gericht
Haldeman warnt: „Ein Urteil zugunsten von Chiles wäre katastrophal. Über 20 Bundesstaaten würden ihre Schutzgesetze verlieren – wir fielen um Jahrzehnte zurück.“ Der aktuelle Supreme Court, geprägt durch konservative Ernennungen während der Trump-Regierung, könnte einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, der Gesundheitsregulierung auf Meinungsfreiheit reduziert.
Warum das Thema über Parteigrenzen hinausreicht
Goldberg betont: „Das Verbot von Conversion Therapy ist keine parteipolitische Frage. Republikaner und Demokraten unterstützen es gleichermaßen – aufgrund klarer wissenschaftlicher Beweise und der Berichte junger Menschen, die unter der Praxis gelitten haben.“
Trotz der Unsicherheit bleibt Haldeman kämpferisch: „Für alle marginalisierten Menschen, insbesondere für die LGBTQ+-Community, ist es wichtiger denn je, auf Selbstfürsorge, Solidarität und Widerstand zu setzen. Nicht aufgeben – wir werden diese Zeit überstehen.“