Der Humor als Notwehr

Nach diversen Beschäftigungen landet Heinz Strunk mit dem Buch "„Fleisch ist mein Gemüse" den großen Coup

Er habe meinen Anruf schon erwartet, müsse aber gleich vorausschicken, dass er etwas angeschlagen sei. „Ich wollte mich ja eigentlich heute noch in ein amouröses Abenteuer stürzen, aber das wird dann wohl ausfallen“, sagt er, jäh unterbrochen von einem schweren Camel-ohne-Husten, bei dem man als Resonanzboden schon den Sargdeckel mitschwingen hört. Er sagt das natürlich nur, damit ich den Autor Heinz Strunk nicht mit seinem vergangenen Ich verwechsle, jenem antriebslosen, manisch depressiven, alkohol-, spiel- und tablettensüchtigen Tanzmucker ohne Sexualkontakte aus seinem autobiografischen Debüt-Werk „Fleisch ist mein Gemüse. Eine Landjugend mit Musik“

(Rowohlt, 8,90 Euro). Zwischenzeitlich ist nämlich durchaus einiges passiert Jahrelang spielte er in der Band von Felix de Luxe, ging mit den Ärzten ins Studio, gründete die Telefonterror-Organisation Studio Braun, war Moderator bei Radio Fritz in Berlin und hatte sogar ein paar Wochen eine eigene Sendung bei VIVA („Fleischmann tv“).

Damals jedoch, 1985 ff., war Strunk noch der „Heinzer“, mit schlimmer Akne und infernalischem Triebdruck, den er wegen seines furunkulösen Gesichts nur eigenhändig, also kaum unter Kontrolle bringt – und der mit „Tiffanys“ die Hochzeiten, Betriebs- und Schützenfeste in der norddeutschen Tiefebene in das Pandämonium verwandelt, für das sie bekannt und bei den hiesigen Pferdegesichtern und Treckerfahrer-Ärschen so beliebt sind: „Body tumulto! Schmelztiegel Landgasthaus Peters, hier wird verschmolzen, was zusammengehört… Wildfremde Menschen liegen sich in den Armen, Hitze, Hysterie, Handgemenge, um nur drei Worte mit H zu nennen, Gewaltphantasien, sexuelle Energien, all das bricht sich endlich Bahn! Noch so ein Uptempo-Burner, und die Leute hätten höchstwahrscheinlich den Laden in Schutt und Asche gelegt“

Strunk, das ist kein geringes Verdienst, erschließt der deutschen Literatur ein neues Sujet. Und er kennt kein Erbarmen, beschreibt dieses Soziotop, die „musikalische Dritte Welt“, mit all seinem Elend: der Langeweile, der Arroganz der Veranstalter, dem quasi-lobotomierten, vom Suff gänzlich aus den Fugen geratenden Publikum, der krausen Sprache zwischen „Stammessen“, „Schmusimusi“, „Stützbier“ und „Luftpumpen“ (für Wiener Würstchen) – und schließlich dem alle Verstandesparameter sprengenden Schlager-Repertoire von Caroline Reiber bis Klaus & Klaus.

Dennoch, der Mann an Saxofon und Querflöte ist wie seine Mitspieler stets darauf bedacht, dass „geil abgeliefert“ wird: „Als Nächstes ein heißer Song für alle Cola-Rum-Trinker, die noch auf einem Bein stehen können“, macht Frontman „Gurki“ scharf auf Bernd Clüvers „Der Junge mit der Mundharmonika“. „Er stammt von einem Schlagermann, der einst als Schlagerjunge einen anderen Schlagerjungen mit silbernem Beißschutz besungen hat Er ist niemand Geringeres als der Juniorchef der Clüver Reifenwerke – und ihr könnt mir glauben, er ist nicht nur ein Fuchs, er riecht auch wie einer.“

Das Buch ist ein schönes Beispiel dafür, dass Humor, der den Namen verdient zuallererst mal Notwehr ist Strunks aberwitzige und trotzdem sehr bodenständige, fast schon hyper-realistische Komik ist dem Elend abgetrotzt das demonstrieren nicht zuletzt die todtraurigen Passagen über die Geisteskrankheit seiner Mutter, deren physisches wie psychisches Siechtum er quälend-minuziös und ohne Furcht vor der Banalität und Tristesse des Leidens abbildet „Alle Sachen, die ich bisher gemacht habe, zeichnen sich durch eine gewisse Härte und Wahrhaftigkeit aus, auch meine Tonträger. Ich habe mich da selten geschont Vielleicht hätte ich es anders gemacht wenn ich gewusst hätte, dass ich damit so eine große Öffentlichkeit erreiche, ich habe natürlich gedacht, dass dieses Buch wie alle anderen meiner Sachen ganz normal floppt. Das ist eigentlich die bisherige Grundsituation meiner Arbeit, dass die Sachen floppen.“

Weiter gemacht hat er trotzdem noch immer, auch wohl, weil ihn Leute wie Eckhard Henscheid verglichen mit den „Giganten des Komischen nach Karl Valentin“:

Heino Jaeger, Gerhard Polt und Helge Schneider.

,.Na klar, die ideelle Anerkennung, die steht auf einem ganz anderen Blatt Da habe ich schon das Gefühl, dass ich von den richtigen Leute gut gefunden werde.“ Er habe aber trotz der kommerziellen Misserfolge in all den Jahren nie die Hoffnung aufgegeben, „dass sich wie bei Helge Schneider irgendwann mal die Schnittmenge erhöht, dass sich der Zeitgeschmack verändert und ich mit meinem Zeug dann auch eine andere Plattform finde.“

Das scheint jetzt tatsächlich geschehen zu sein. „Fleisch ist mein Gemüse“ geht in die 5. Auflage, an die 50 000 Exemplare wurden bisher abgesetzt. „Richtig abgegangen ist das Buch erst nach dem ,TV total‘-Auftritt“, räumt er ein, „aber ich habe auch keinen Bock, mich dafür zu rechtfertigen. Ich glaube, dass so ein Auftritt nur funktioniert, wenn das beworbene Werk auch wirklich gut ist“

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