Derek Trucks im Interview: „Zu perfekt, um es nochmal zu versuchen“
Derek Trucks im ausführlichen Interview über „Mad Dogs and Englishmen Revisited“.
Vor zehn Jahren wagte die Tedeschi Trucks Band, angeführt von Sängerin Susan Tedeschi und ihrem Ehemann, dem Gitarrenvirtuosen Derek Trucks, ein besonderes Experiment. Gemeinsam mit Mitgliedern der Originalbesetzung von Joe Cockers legendärem Ensemble von „Mad Dogs & Englishmen“ – allen voran Leon Russell — ließen sie die legendäre Konzerttournee und den dazugehörigen Film neu aufleben.
Unter dem Titel „Mad Dogs & Englishmen Revisited Live at LOCKN‘ “ entstand ein opulentes Live-Projekt voller hochkarätiger Gäste, Energie und musikalischer Geschichte. Nun ist das zugehörige Tondokument endlich offiziell erschienen – das Begleitstück zur Dokumentation „Learning to Live Together: The Return of Mad Dogs & Englishmen“ aus dem Jahr 2021. Wir sprachen mit Derek Trucks über die Faszination des Originals, die Magie der Reunion – und die Zukunft seiner eigenen Band. Das ROLLING-STONE-Interview mit Derek Trucks erscheint auch als Videointerview.
Derek, Sie haben einmal erwähnt, dass „Mad Dogs & Englishmen“ Sie dazu inspiriert hätte, die Tedeschi Trucks Band zu gründen. Was hat Sie an dem Film damals so fasziniert?
Wir hatten diesen Film damals zum ersten Mal gesehen, ungefähr in der Zeit, als wir unsere Band zusammenstellten. Um dieselbe Zeit bekamen wir einen Anruf von Herbie Hancock. Er kam zu uns ins Studio nach Jacksonville, und der Song, den wir aufgenommen haben, war Space Captain. Wir haben also gleich einen Mad-Dogs-Song mit Herbie gespielt, genau in dem Moment, als unsere Band entstand – mit Oteil Burbridge, Kofi Burbridge, Vinnie Colaiuta, Herbie, Sue, Mike und mir. Das war im Grunde das Erste, was wir zusammen machten, noch bevor die Band offiziell existierte.
Es gab viele Verbindungen zum Beginn unserer Band. Und der Film hat uns zusätzlich inspiriert, ein großes Rock’n’Roll-Zirkus-Ding zu starten. Ich hatte lange bei den Allman Brothers gespielt, das Spiel mit zwei Schlagzeugern war mir vertraut und ich liebte es. Aber im Film zu sehen: den Chor, die Bläser, und zu erleben, dass man einfach alles zusammenbringen kann und es funktioniert – das hat einen riesigen Eindruck hinterlassen.
Dazu kam die Musikalität dieser Truppe. Es war nicht nur eine zufällige Gruppe von Leuten, es war wie ein Team aus Superhelden. Jeder war auf seinem Instrument das absolute Maximum. Es fühlte sich an wie ein olympisches Team, bei dem man die besten Musiker findet und schaut, was passiert. Leon Russell war zu dieser Zeit außerdem ein unglaublicher Musiker und ein einzigartiger Mensch. Er stand damals ganz oben, und das war ebenfalls inspirierend.
Als Sie die Idee hatten, „Mad Dogs & Englishmen Revisited“ zu machen, wie sind Sie herangegangen?
Die ursprüngliche Idee kam auf, als man uns fragte, ob wir beim Lockn’-Festival mit Joe Cocker auftreten wollten. Wir dachten, das wäre unglaublich. Wir sprachen darüber, aber Joe wurde krank und verstarb etwa sechs Monate vor dem geplanten Konzert. Danach fragte man uns, ob wir eine Tribute-Show für Joe machen würden. Ich mochte die Idee, war mir aber unsicher, ob ich die richtige Person dafür wäre. Wir hatten uns nie getroffen, nie zusammen gespielt. Es fühlte sich nicht hundertprozentig passend an.
Dann kam der Vorschlag, das Mad Dogs-Material zu spielen – als Möglichkeit, Joe zu ehren, gemeinsam mit Menschen, die ihn kannten. Ich rechnete nicht damit, dass Leon Russell zusagen würde. Wir hatten uns kennengelernt und waren befreundet, aber ich dachte, die Chance, dass er mitmacht, liegt bei zehn Prozent. Also sagte ich: Wenn Leon dabei ist, sind wir mit Freude dabei. Und zu meiner Überraschung war er sofort begeistert.
Von da an war klar: Wenn Leon es will, machen wir es. Ich sagte zu ihm: „Du warst damals der musikalische Leiter. Sag mir, wie du es machen willst.“ Aber er antwortete: „Mr. Trucks, diesmal machen Sie das.“ In dem Moment fühlte es sich an, als ob ein Hund das Auto fängt und nicht weiß, was er jetzt tun soll.

Das Gute war: Wir hatten ohnehin schon eine zwölfköpfige Band. Eine große Formation, auf die man aufbauen konnte. Wir bereiteten uns so vor, als würden wir das ganze Projekt allein stemmen. Wir nahmen uns vier oder fünf Tage Zeit im Studio, jeder machte seine Hausaufgaben und lernte das Material in- und auswendig.
Dann kamen die Originalmitglieder dazu. Ich wusste nicht, wer von ihnen regelmäßig gespielt hatte, wer noch aktiv war und wer nicht, wer sich noch an die Stücke erinnerte. Aber alle kamen bestens vorbereitet. Sie hatten die Songs geschrieben, sie kannten sie. Alle waren auf der Höhe ihres Spiels.
Als wir in die Proben gingen, war sofort spürbar: Das wird etwas Besonderes. Wir hatten vielleicht einen Probentag, dann einen freien Tag, dann den Auftritt. Es war eine intensive, inspirierende Zeit. Ich hatte schon vorher gewusst, dass einige der Leute absolute Top-Musiker waren – ich hatte zum Beispiel mit Chris Stainton in Eric Claptons Band gespielt, und er ist einfach Weltklasse. Dann lernte ich Bobby Torres kennen, ein fantastischer Percussionist aus dem Nordwesten der USA, der auch in Jazzgruppen spielte. Ein absoluter Könner. Und Leon war ohnehin Leon. Es war eine großartige Erfahrung, wir haben viel gelernt und waren sehr inspiriert.
Derek Trucks im Interview: „Sie nannten ihn ‚Maestro’“
Wie war es, die Dynamik der ursprünglichen Bandmitglieder wieder zusammenzusehen – und dann noch kombiniert mit Ihrer eigenen Band?
Es war surreal. Viele von ihnen waren unsere Helden, und im Raum herrschte gegenseitiger Respekt in alle Richtungen. Besonders beeindruckend war, wie die Originalmusiker Leon Russell behandelten: Sie nannten ihn „Maestro“. Der Respekt, den alle für Leon hatten, war offensichtlich. Er war ganz klar die zentrale Figur.
Für uns war es auch besonders, weil viele der Musiker seit 20, 30 oder 40 Jahren nicht mehr zusammen gespielt hatten. Manche hatten sich seit der Originaltour nicht mehr gesehen. Es war also eine Art ernsthafte Wiedervereinigung. Leon sagte im Film einmal: „Es war wie ein Klassentreffen, von dem ich gar nicht wusste, dass ich es brauche.“ Und genauso fühlte es sich an.
Man konnte spüren, dass es damals auf der Originaltour viel Emotion gab, auch manches Ungelöste – teils Gutes, teils Schwieriges. Dieses Konzert war die Gelegenheit, das abzulegen. Es war wunderschön, das mitzuerleben.
Für mich war es faszinierend, diese Energie zu spüren. Ich kannte ein paar Geschichten über die Tour, aber längst nicht alles. In den Proben und auf der Bühne merkte man, dass da etwas in der Luft lag, das man nicht einordnen konnte. Erst später wurde mir klar, wie viel Geschichte dahintersteckte.
Und sobald alle zusammenspielten, war die Energie überwältigend. Es war wirklich außergewöhnlich.

Es klingt so, als ob sich positive und negative Erfahrungen in dieser Energie vermischten, von denen Sie Teil wurden.
Ja. Ich habe schon bei den Allman Brothers erlebt, dass manchmal die intensivsten und besten Shows dann entstehen, wenn Spannungen da sind. Mein Onkel und Dickey Betts waren manchmal wütend aufeinander. Dickey spielte ein Solo, und mein Onkel stand hinter ihm, und es wirkte fast wie ein Boxkampf. Aber sie brachten sich gegenseitig zu unglaublichen Höhen. Es war faszinierend zu sehen.
Bei Mad Dogs & Englishmen war es wahrscheinlich weniger offene Negativität, sondern eher ungelöste Dinge. Diese Tour war extrem intensiv, es war die Hochphase von Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Für manche wurde es zu viel, und danach gingen alle wieder getrennte Wege.
Das Konzert war das erste Mal seitdem, dass alle wieder zusammenkamen. Soweit ich weiß, auch das einzige Mal. Es lag viel Geschichte im Raum, viele Erinnerungen, viel Freude. Während der Proben und nach der Show war klar zu spüren, wie viel es den Beteiligten bedeutete. Es war ein großes Glück, Teil davon zu sein.
Wie war es, als Sie dieses Konzert gespielt hatten und alles vorbei war? Wie war die Stimmung in der Gruppe?
Alle waren euphorisch. Jeder war bereit, die ganze Nacht durchzufeiern. Es war zwar eine ältere Truppe, aber die Energie war riesig. Es gab viele Gespräche darüber, das Projekt zu wiederholen und weiterzumachen.
Mein Gefühl war jedoch: Es war zu perfekt, um es nochmal zu versuchen. So etwas lässt sich schwer ein zweites Mal einfangen. Es war wie ein Moment, bei dem allen klar war: Wir haben nur einen Versuch, also lasst uns das Ding aus dem Park schlagen. Und genau das ist passiert.
Es waren viele Beteiligte – sicher 30 Leute mit beiden Bands, viele Musiker, die kamen und gingen. Nicht alle konnten bei allen Proben dabei sein. Man hoffte einfach, dass es am Ende funktioniert. Und vom ersten Schlag bis zum letzten Ton lief alles großartig. Das passiert nicht oft.
Darum hatte das Ganze etwas Besonderes. Man wollte es lieber so stehen lassen, als es zu wiederholen. Aber die Energie nach diesem Konzert war unglaublich. Da waren sehr viele glückliche Menschen.
Sie hben erzählt, dass Leon Russell Ihnen große kreative Freiheit ließ und sagte, Sie seinen verantwortlich. Wie war es insgesamt, mit ihm zu arbeiten und das Ganze zusammenzusetzen?
Es war das Beste. Er sagte von Anfang an: „Es liegt bei dir, ich bin da, wenn du mich brauchst.“ Er war bereit, alles zu tun, was nötig war. Ich glaube, er mochte es, dass jemand anderes die organisatorische Arbeit übernahm, sodass er nicht alle Leute zusammenholen musste.
Aber wenn wir im Raum waren – mit beiden Bands, mit allen Gästen – dann galt: Wenn Leon etwas sagte, wurde es gemacht. Niemand stellte das in Frage. Jeder wusste, seinen Platz einzunehmen.
Für mich war es eine Ehre, diese Rolle als musikalischer Leiter übernehmen zu dürfen. Fast alle Arrangements, die wir nutzten, stammten aber noch aus der ersten Tour. Das Material war so stark, dass man daran kaum etwas ändern musste. Natürlich hatte man unterschiedliche Musiker und musste schauen, wer was singt oder spielt. Aber das ergab sich ziemlich natürlich.
Vieles passierte spontan. Ich erinnere mich an einen Moment mit Claudia Lennear. Sie sagte, sie habe immer davon geträumt, einmal ein Duett mit Leon zu singen. Girl from the North Country war einer ihrer Vorschläge. Die Band hatte das Stück vorbereitet. Doch bevor alle ihre Instrumente in die Hand nahmen, begannen Leon und Claudia einfach so zu spielen und zu singen – nur die beiden. Es war magisch. Jeder im Raum wusste sofort: Hier muss niemand dazustoßen. Danach sagte ich zu den beiden: „Wenn ihr euch wohlfühlt, dann solltet ihr es heute Abend genauso machen.“ Und so wurde es aufgeführt.
Das war einer dieser Momente, in denen man merkt: Weniger ist manchmal mehr. Für Claudia war es etwas Besonderes, und für uns war es bewegend, das mitzuerleben.
Rita Coolidge war ebenfalls beeindruckend. Ihre Karriere ist unglaublich – sie schrieb zum Beispiel das Coda-Stück von Layla, das dann von Jim Gordon verwendet wurde. Sie hat ein wildes Leben geführt und eine starke Persönlichkeit, aber war dabei sehr warmherzig. Sie nahm Susan und die anderen Frauen in unserer Band sofort unter ihre Fittiche.
Claudia Lennear war das Herz des Projekts. Ihre Ausstrahlung hat uns alle getragen. Man wollte ihr gerecht werden. Sie ist eine wunderbare Person. Auch Bobby Torres, der Percussionist, war herausragend – voller Leidenschaft und Seele. Er lebt Musik, sie ist für ihn existenziell. Viele der alten Bandmitglieder waren so – echte „Lifers“, für die Musik alles bedeutet.
Das erinnerte mich an meine Zeit mit den Allman Brothers. Dort ging es auch nie nur um Entertainment. Musik war Religion, Lebenselixier. Genau dieses Gefühl brachte die Mad-Dogs-Truppe wieder.
Derek Trucks: Das Weiterreichen einer Fackel
Wenn man Ihre Karriere betrachtet, haben Sie von Anfang an mit Legenden gespielt, mit Leuten, die riesigen Respekt genießen. Ist es Sie in ihrer DNA, Musik auf diese Weise zu machen?
Ja. Manchmal werde ich gefragt, wenn ich mit Leuten wie B.B. King gespielt habe, ob es so etwas wie das „Weiterreichen einer Fackel“ gibt. Und ich denke, die Fackel ist nicht Ruhm oder Status, sondern dieses Gefühl, diese Bedeutung.
B.B. hat uns immer gesagt: „Spielt diese Musik weiter. Es ist wichtig, dass sie am Leben bleibt.“ Für ihn zählte, dass die Musik, dieses Gefühl und dieser Spirit weitergetragen werden – egal ob es um den Songkatalog ging oder um die Art, Musik zu machen.
Bei den Allman Brothers war es dasselbe. Für sie war Musik eine Religion. Sie wollten, dass diese Haltung weiterlebt.
Wenn du in diesem Umfeld aufwächst, wenn du die Ehre hast, mit solchen Menschen auf der Bühne zu stehen, dann wirst du selbst Teil dieser Kette. Ab dann liegt es an dir, deinen Teil beizutragen. Das ist eine Verantwortung – ein Gewicht, aber ein gutes Gewicht.
Auf dem Konzert und auf der Aufnahme hatten Sie auch großartige Gäste, die nicht Teil der ursprünglichen Joe-Cocker-Band waren. Etwa Chris Robinson, der mit Susan das Duett With a Little Help from My Friends sang.
Ja, Chris Robinson war eine naheliegende Wahl. Wir hatten schon öfter mit den Black Crowes getourt, mit unserer Band und auch mit Tedeschi Trucks. Und wenn man überlegt, wer von den jüngeren Musikern Joe Cocker am meisten verkörpert, dann war Chris einfach die offensichtliche Wahl. Er hat den Look, das Feeling, die Ausstrahlung. Er war einer der ersten, die wir anriefen. Und es war großartig. Er und Susan auf diesen Songs – das war wirklich stark.
Warren Haynes war ebenfalls eine klare Entscheidung. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte, und seine Stimme und sein Spiel passten perfekt. Dave Mason war dabei – er gehörte zwar damals nicht zur Originaltour, war aber Teil der Szene. Es fühlte sich toll an, ihn dabeizuhaben, als Zeitzeugen und Musiker.
Und Doyle Bramhall habe ich bewusst eingeladen. Er ist einfach dieser Typ, der jede Situation besser, cooler, interessanter macht. Doyle findet Parts, die nicht im Weg stehen, aber wenn sie fehlen, merkt man sofort, dass etwas fehlt. Der Typ macht alles runder. Ich wusste, dass er das Projekt bereichern würde.
Es war ein Privileg, diese „A-Team“-Leute anrufen zu können. Und sobald Leon zugesagt hatte, wollten sowieso alle dabei sein. Jeder sagte sofort Ja.
Was steht für Sie und die Band ansonsten an?
Wir haben ein sehr volles Jahr. Es gibt ein paar Dinge, die parallel zum Mad Dogs-Projekt laufen. Joe Cocker wird in die Hall of Fame aufgenommen, vielleicht machen wir etwas in diesem Zusammenhang. Außerdem haben wir gerade ein neues Album mit unserer Band fertiggestellt, in unserem frisch ausgebauten Studio. Wir haben 17 Songs aufgenommen. Anfang nächsten Jahres erscheint das neue Tedeschi-Trucks-Album.
Darauf freue ich mich sehr. Wir haben einige der Stücke schon live gespielt, und es war erstaunlich, wie schnell sie beim Publikum ankamen. Normalerweise reagieren die Leute bei neuen Songs erst zurückhaltend. Dieses Mal fühlte es sich an, als ob die Stücke schon immer da gewesen wären. Sie haben sofort funktioniert. Es gibt einen neuen Vibe, ein bisschen andere Sounds und Energie – das macht Spaß, und ich bin gespannt, wie die Platte ankommt. Ich glaube, es wird eines der Alben sein, auf das wir in unserer Karriere besonders stolz zurückblicken.

Wir sind außerdem viel auf Tour. Gerade hatten wir acht Wochen unterwegs, jetzt sind wir kurz zu Hause, und am Freitag geht es schon wieder los. Wir touren bis zum Jahresende ziemlich hart. Die Band ist musikalisch in einer richtig guten Verfassung, das fühlt sich gesund und produktiv an. Wir wollen das Momentum nutzen.
Auch unser Studio ist gewachsen, wir haben die Fläche verdoppelt und einen neuen Regieraum gebaut. Jetzt haben wir mehr Platz, um Ideen auszuprobieren. Es fühlt sich an, als seien wir in einer richtig produktiven Phase. In der Band gibt es viele großartige Songwriter – Susan, Gabe Dixon, Mike Mattison, unser Drummer Tyler Greenwell und ich selbst. Es ist spannend, zusammen im Studio zu arbeiten, Ideen zu sammeln und sofort aufnehmen zu können.
Sie haben eben gesagt, das Album hat einen anderen Vibe, einen etwas anderen Sound. Können Sie das näher erklären?
Zum ersten Mal seit langer Zeit haben wir wieder mit einem Produzenten gearbeitet – mit Mike Elizondo. Er ist ein absoluter Könner, ein Multiinstrumentalist, der schon in allen möglichen Genres gearbeitet hat. Er spielte Bass auf den frühen Dr.-Dre-Platten, hat unzählige Country-Produktionen gemacht, Pop, alles Mögliche. Ich habe ihn vor etwa 20, 25 Jahren kennengelernt, damals spielte er in Doyle Bramhalls Trio mit J.J. Johnson. Wir hatten schon lange darüber gesprochen, mal etwas zusammen zu machen, aber es ergab sich nie. Vor rund acht Monaten trafen wir uns wieder, und diesmal war sofort klar: Das passt.
Wir holten ihn mit seinem Engineer in unser Studio, und es war großartig, eine neue Perspektive hineinzubringen. Man kennt irgendwann seinen eigenen Sound zu gut, man versucht zwar, sich selbst zu pushen, aber jemand von außen bringt sofort andere Ideen.
Das Ergebnis: Einige Sounds sind aggressiver, die Arrangements klarer und kompakter. Gleichzeitig gab es Stellen, an denen wir uns ganz öffnen konnten, expansiv und frei. Es war eine sehr gute Mischung.
Mike ist auch ein Meister an den analogen Synths – Minimoog und so weiter. Wenn man irgendeine Klangidee beschreibt, findet er sie in wenigen Minuten. Das war für uns neu, wir hatten solche „Ear-Candy“-Sounds schon lange nicht mehr im Studio eingesetzt, eigentlich zuletzt bei I Am the Moon, dem ersten Album in der Besetzung unserer heutigen Band. Diesmal haben wir noch tiefer experimentiert.
Es fühlte sich an, als wären da unendlich viele Ideen. Manchmal denkt man, man könnte irgendwann „leer“ sein. Aber diesmal war es eher das Gegenteil: zu viele Ideen, zu viele Songs. Wir mussten auswählen. Das ist ein gutes Zeichen.
Was ist die längste Zeit, in der Sie in den letzten zehn Jahren keine Gitarre angerührt haben?
Wahrscheinlich nie länger als ein paar Wochen, sicher nie einen Monat. Auch wenn wir Pause machen, liegen Gitarren im Haus herum. Selbst wenn ich offiziell nicht spiele, greife ich irgendwann automatisch zu einer.
Aber ich merke den Unterschied, wenn wir nach einer Pause wieder auf Tour gehen. Selbst wenn ich zuhause geübt habe, spüre ich in der ersten Woche die Belastung. Auf der Bühne ist es einfach eine andere Intensität. Wir spielen hart, wahrscheinlich härter, als wir sollten. Meine Hände sind nach der ersten Show oft wund.
Es ist leichter, „drin“ zu bleiben, als nach Pausen wieder reinzukommen. Touren ist wie Spitzensport: Man passt sich an, entwickelt Routine. Wenn man aussetzt, dauert es, bis man wieder auf diesem Level ist. Ich denke da oft an Baseballspieler – die trainieren für 100-Meilen-Fastballs. Wenn man das eine Weile nicht sieht, braucht es Zeit, bis man wieder auf Geschwindigkeit ist.
Wir proben zwar mehrere Tage vor einer Tour, aber die erste Show ist immer etwas anderes. Adrenalin, zweieinhalb Stunden durchspielen – man merkt es am nächsten Tag. Nach zwei Monaten Tour dagegen ist man so eingespielt, dass man jede Nacht spielen könnte.
Für Sänger ist es allerdings anders. Susan singt mit so viel Kraft, dass sie Pausen braucht. Da muss man den richtigen Rhythmus finden: ein paar Nächte spielen, dann eine Pause. Und man muss längere Auszeiten nutzen, um Körper und Kopf wieder fit zu bekommen.