Die 100 besten Alben der Neunziger

Von Moby bis Nirvana – die Alben, die ein Jahrzehnt geprägt haben.

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Platz 10 bis 1

10

Pavement, „Crooked Rain, Crooked Rain”

Das zweite Album von Pavement war weniger schrullig und diffus als ihr erstes und brachte sogar den einzigen bescheidenen Hit ihrer Karriere hervor, „Cut Your Hair”. Das Beste daran waren jedoch die eingängigen Songs wie „Gold Soundz” und „Range Life”, die zeigten, dass Pavement mehr waren als nur grinsende Indie-Rocker.

9

Beck, „Odelay”

Der Woody Guthrie von Pizza Hut beweist auf „Odelay”, dass er alles kann, während die Dust Brothers ihm einen funky Cold Medina unterjubeln und die Bühne bereiten, damit er sich zur Abwechslung einmal so richtig gehen lassen kann. Beck wechselt mühelos zwischen seinen musikalischen Identitäten, egal ob er in „Ramshackle” auf seiner Folk-Gitarre klimpert, in „Where It’s At” im Catskills-Hip-Hop-Stil rockt oder in „Readymade” der Bossa Nova die Schuld gibt. Odelay hätte als blutleeres Kunstprojekt enden können, aber Beck verliert sich in dem Jazz-Puzzle und dem frischen Flow, bis seine verspielte Energie alle anderen langweilig klingen lässt. Das ist in der Tat ein guter Drum-Break.

8

The Notorious B.I.G., „Ready to Die“

Sie erinnern sich bestimmt an das erste Mal, als Sie Biggie gehört haben – er kam als der gefährlichste chronische Kiffer, Oreo-Keks-Esser und Pickle-Saft-Trinker der Nachbarschaft daher, und er war der Mann, meine Dame.
Biggie verbreitete Liebe auf Brooklyn-Art und tat mehr als jeder andere, um den New Yorker Hip-Hop nach Jahren der Dominanz der Westküste wiederzubeleben, und „Ready to Die” zeichnet den Sound der coolen Neunziger nach. Die Vision ist düster, von „Suicidal Thoughts” bis zum Liebeslied, das sich um die Zeile „I swear to God, I hope we fuckin‘ die together” dreht. Aber Biggies Stimme ist auch voller ausgelassener Freude und bringt das Lustprinzip zurück in den Hip-Hop. In „Big Poppa“ umfasst seine Vorstellung von einem romantischen Abend ein T-Bone-Steak, Käse, Eier und Welch’s Traubensaft, und das nur, während der Whirlpool aufheizt.

7

Nirvana, „In Utero”

Die Basistracks wurden in zwei Wochen aufgenommen; fast alle Gesangsparts von Kurt Cobain wurden in sieben Stunden auf Band gebracht. Wenn „In Utero” ein Album ist, das aus einer großen Krise heraus entstanden ist – vor allem aus Cobains persönlichem Kampf mit seinem überwältigenden Glück –, dann wurde es mit großer Zielstrebigkeit produziert. Steve Albini’s korrosive Produktion schmeichelt Songs mit temperamentvollem, vielschichtigem Drama wie „Pennyroyal Tea” nicht (Cobains definitive Performance findet sich auf „Unplugged”). Aber Albini’s harter Touch passte perfekt zu dem Extremismus, den Cobain bereits in die mit Lauge getränkten Kanonenkugeln „Serve the Servants”, „Scentless Apprentice” und „Very Ape” geschrieben hatte. In der sonnendurchfluteten, mit Cello verzierten Traurigkeit von „All Apologies” und „Dumb” sprach Cobain auch offen über seine übergroßen Bedürfnisse und seine geschwundenen Erwartungen an die Erfüllung. Letztendlich war er nicht in der Lage, sich aus dieser Depression zu befreien; stattdessen schuf er daraus großartige, wütende Kunst.

6

Pearl Jam, „Ten“

„Als ihr Debütalbum erschien, konkurrierten Pearl Jam mit Nirvana in einem Grunge-Beliebtheitswettbewerb, den sie zwangsläufig verlieren mussten. Dennoch ist „Ten“ ein nahezu perfektes Album: Eddie Vedders zittriger, gequälter Gesang und Mike McCreadys klagende Gitarrensoli in „Alive“ und „Jeremy“ treiben beide Songs bis an den Rand des Abgrunds und wieder zurück.

5

Lauryn Hill, „The Miseducation of Lauryn Hill”

Nach Monaten, in denen sie sich in den Gong Studios in Kingston, Jamaika, eingeschlossen hatte, trat Lauryn Hill aus dem Schatten der Fugees hervor, um ein atemberaubendes musikalisches Dokument zu schaffen, das zu gleichen Teilen Stevie Wonder, Joni Mitchell und, nun ja, niemand anderes als Lauryn Hill ist.

Sie singt und reimt, sie schenkt uns Balladen, Partyrocker und Doo-Wop, sie singt von der Liebe zu Männern, zu ihrem Sohn Zion, ihrer Kindheit in New Jersey und (möglicherweise) zu ihrem Ex-Freund Wyclef Jean. Sie verpackt all das in einen rohen, vollkommen menschlichen Sound, in dem man die Finger auf den Gitarrensaiten zupfen, die Nadel auf dem Vinyl und die Drumsticks auf den Becken hören kann. Wenn Sie jemand fragt: „Was ist Hip-Hop-Soul?“, spielen Sie ihm „The Miseducation“.

4

U2, „Achtung Baby“

Es war eine der extremsten Persönlichkeitsveränderungen in der Popmusik überhaupt. U2, die irischen Barden mit ihren kathedralenartigen Gitarrenklängen und ihren Predigten vom Pub-Hocker, verabschiedeten sich von den Achtzigern und der erstickenden Welle ihrer eigenen Aufrichtigkeit, indem sie ihre Aufnahmegeräte im Berlin nach dem Fall der Mauer aufstellten und sich den beiden „i“s zuwandten: Ironie und Industrial Dance Music. Die Musik – langsamer als „The Joshua Tree“ – ist ätzend, ein Funk aus einer zerstörten Stadt, durchsetzt von wahnsinnigem Gelächter und schleichender Paranoia. Doch das Knistern und der hallende Echoeffekt des Albums sind in Wirklichkeit eine Art Schutzpanzer für das trotzige Herz in Bonos Texten („One“, „Ultra Violet [Light My Way]“) und die eigentliche Lektion des postmodernen Kicherns von „Achtung Baby“: Um die Freuden des Himmels zu schätzen, muss man manchmal einen kleinen Spaziergang durch die Hölle machen.

3

Radiohead, „OK Computer“

Fortschritt ist eine Herausforderung, aber lassen Sie sich nicht von den Maschinen oder ihren Herren unterdrücken. Das ist die einfache Botschaft, die in dem kunstvollen Rockrausch von „OK Computer“ verschlüsselt ist. Als „The Dark Side of the Moon“ des Informationszeitalters gefeiert, ist „Computer“ mit seinen ungewöhnlichen Taktwechseln und abrupten Gitarrenriffs zu spröde und zu klaustrophobisch, um als Space Rock zu gelten. Stattdessen durchbrechen Radiohead mit den heftigen Stimmungsschwankungen von „Paranoid Android“ und Thom Yorkes schwebender, angstvoller Stimme in den kargen, sehnsüchtigen Balladen „Let Down“ und „Lucky“ das seelenzerstörende Echo der Isolation und der erzwungenen Routine. Irgendwie schaffte es „OK Computer“ ein Jahr nach seiner Veröffentlichung Platin – ein willkommener Beweis dafür, dass Intelligenz immer noch gefragt ist.

2

Dr. Dre, „The Chronic”

Es war einmal, da war Dr. Dre nur einer der Jungs von N.W.A, Suge Knight nur ein Bodyguard und Snoop Dogg noch kein Star. Dann erschien „The Chronic“ und die Welt des Hip-Hop wurde auf den Kopf gestellt. Der Sound ist von George Clintons Funk inspiriert, die Bilder sind lose an die bedrohlichen Machenschaften aus „Der Pate“ angelehnt. Das Ganze wird von einem großen, schlanken Newcomer aus Long Beach, Kalifornien, zusammengehalten. Er trägt lebhafte Ghetto-Geschichten und Lobeshymnen auf Marihuana in einem leichten, singenden Singsang vor, der wie der Inbegriff von Coolness unter Druck wirkt. Es war der originellste MC-Stil seit Rakim und zog die Zuhörer von Küste zu Küste in seinen Bann, als sie ihn zum ersten Mal sagen hörten: „Ain’t nuttin‘ buh a gee thang, bayyy-bay.”

1

Nirvana, „Nevermind“

Das Album, das dafür sorgte, dass die Neunziger nicht langweilig wurden. Jedes Wort und jede Note, die Kurt Cobain für „Nevermind“ schrieb, klingt heute nach einer schweren Mischung aus Rückblick und Nachhall. Seinem traurigen, sinnlosen Tod; den tausenden Grunge-Imitatoren, die Cobains Schmerz gut nachahmten, aber musikalisch versagten. Tatsächlich lag Cobains besonderes Genie – ebenso wie das von Schlagzeuger Dave Grohl und Bassist Krist Novoselic – in seinem bissigen Humor und dem amp-getriebenen Klassizismus der Sex Pistols, Cheap Trick und AC/DC. „Nevermind“ schuf aus der Unzufriedenheit einer Generation das ultimative Mosh-Party-Album des Jahrzehnts. Und es zeigte, dass Rock ’n’ Roll auch in seiner chaotischen Lebensmitte noch immer alles auf den Kopf stellen konnte, und zwar auf glorreiche Weise.

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