60 Jahre „A Love Supreme“ von John Coltrane: Groovende Intensität
„A Love Supreme“ zeigt, wie John Coltrane seine auch technisch virtuosen Experimente perfekt in eine groovende Intensität überführt hatte.
In John Coltranes eigenen Worten lässt sich die besondere Aura von „A Love Supreme“ am besten beschreiben. In Großbuchstaben hebt er „Erhebung, Eleganz, Begeisterung“ aus seinem Gebetsgedicht hervor, das er auf das Albumcover drucken ließ und dessen Litanei er im letzten Teil des Albums instrumental nachempfindet.
Tatsächlich gibt es wohl kein Jazzstück, das so nachvollziehbar, intensiv und attraktiv vom spirituellen Gefühl berichtet wie diese grade mal 33-minütige Suite in vier Sätzen – zwei ruhigeren, offenen, ein- und ausleitenden Teilen und zwei sich mitunter recht exaltierenden Mittelstücken, die straffer und bluesartig strukturiert sind. Als öffnende Figur lässt Coltrane eine schlichte Fanfare aus vier Tönen wehen, die zugleich als Echo wie als Vorhall auf den Rest in Wiederholungen verebben.
Sie bestimmen den ganzen ersten Satz mit dem Afrolatin-Bassriff und seinem schweifend kreisenden Solo und münden schließlich in das feierliche Grummeln seines in Overdubs vervielfältigten Mantras – eine materielle Konzentration und Klarheit, auf der die besondere Wirkung des Stücks im Ganzen beruht.
John Coltrane traf ideal den Zeitgeist
Die leichthändig auf- und absteigende Melodiosität und repetitiv geprägten Soli klingen dabei auch in den ekstatischen und dissonanten Momenten kaum noch nach den sogenannten „sheets of sound“, den modal strömenden, akkordisch flirrenden Kaskaden, mit denen Coltrane nach dem Heroinentzug 1957 zunächst bei Thelonious Monk und dann Miles Davis die harmonischen und rhythmischen Bindungen vom Beat zum Puls öffnete.
Coltrane hatte sein Interesse schon seit 1960, als er sein eigenes Quartett gründete, das man in seiner klassischen Besetzung mit Jimmy Garrison am Bass, Elvin Jones an den Drums und McCoy Tyner am Klavier auch auf „A Love Supreme“ hört, von der texturalen Forschung zur Melodie verschoben, wobei er sich zugleich verstärkt mit afrikanischen und orientalischen Musiken beschäftigte. Die Melodiosität hatte dabei vielleicht nicht allein musiktheoretische Motive.
Die vage exotisch anmutende Atmosphäre und Spiritualität traf natürlich auch glücklich den Zeitgeist der aufziehenden Hippiedämmerung. Tatsächlich zeigt „A Love Supreme“ trefflich, wie Coltrane seine auch technisch virtuosen Experimente mit Harmonie und Rhythmus perfekt in eine freie und abstrakte, dabei melodische und groovende Intensität überführt hatte – es blieb nur noch der Aufstieg ins kosmisch Freie seiner letzten Jahre bis 1967. Abgesehen von einem Auftritt auf dem Jazzfestival von Antibes hat Coltrane seinen größten Hit nie live gespielt.
Offenbar hielt er die Aufnahme für so definitiv, dass er ihr nichts hinzufügen wollte. Auch damit hat er wohl recht.