Die meistüberschätzten Filme aller Zeiten: The Dark Knight

Zwei mit Karnevalskostümen verkleidete Männer verhandeln die Rollen von Gut und Böse neu. Die Welt schaut fasziniert zu.

Christopher Nolans bis heute ambitioniertestes Werk ist nicht die Sci-Fi-Oper „Interstellar“, sondern sein 2008 veröffentlichter zweiter Batman-Film, „The Dark Knight“. Der Regisseur wollte „das Genre revolutionieren“, indem er den Kampf Gut gegen Böse loskoppelt von den Gesetzen des Comics, von all seinen Unwahrscheinlichkeiten und Albernheiten betrachtet. Stattdessen das Duell gebrochener Charaktere, die unter ihrer Maske Menschen sind wie Du und ich.

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Der Batman? Kein gerechter Rächer, im Gegenteil, einer, der das Leben seiner Mitbürger unterschiedlich werten würde, sollte man ihn vor die Wahl stellen. Der Joker? Ein ehemaliges misshandeltes Kind, das sich seinen Platz in der Gesellschaft, wenn auch mit verbrecherischen Methoden, erkämpfen möchte. Woher man das weiß? Jedenfalls nicht aus dem Film. Solche Schlüsse sind Vermutungen aus bestem Willen, die man selbst anstellen muss.

Alles schon ausdefiniert

Entstanden ist mit „The Dark Knight“ das Porträt zweier fertig definierter Männer, die versuchen über ihre Rollen zu verhandeln. Verkleidet in Karnevalskostümen. Sie sind unterhaltsam, ernst nehmen kann man sie nicht.

Vorbild für die vermeintliche „Charakterstudie“ ist Michael Manns „Heat“ von 1995. Der gilt als heutiger Maßstab für Porträtfilme, in denen die Grenze zwischen Helden und Antihelden nicht mehr zu definieren ist. Je mehr Leichen sie beklagen, desto dreckiger werden die Methoden. Am Ende erkennen Al Pacino als Cop und Robert De Niro als Krimineller, dass sie sich nur am Anfang ihrer Arbeit an gegenläufigen Enden befunden hatten. Getroffen haben sie sich dann in der Mitte.

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Die Figuren in „The Dark Knight“ jedoch zeigen diese Ambivalenz nicht. Bruce Wayne alias Batman (Christian Bale) hat – wenigstens in den Verfilmungen – keine Tiefe. Er hat ein Kindheitstrauma, weil die Eltern vor seinen Augen erschossen wurden. Manchmal brütet der reiche Erbe über seine Verantwortung. Ob es ihm auch ja gelingt, die Gangs von Gotham dingfest zu machen. Das ist alles. Ansonsten gilt für ihn: Gutes tun, bis das Fledermauskostüm zerfällt.

Lustig ist besser

Weniger gelungen ist noch der Joker. Für dessen Darstellung erhielt Heath Ledger posthum den Oscar, der Legende nach hatte er sich zur Vorbereitung auf die Rolle über Tage in einem Hotelzimmer verschanzt. Nur geht dieser Figur am Ende jede Originalität ab. Ledger präsentiert einen wahren Blumenstrauß voller Manierismen. Am auffälligsten ist noch sein ständiges Schmatzen, vielleicht eine Parodie auf Anthony Hopkins‘ Hannibal, der wie ein Gourmet mit der Zunge schnalzte. Ledger humpelt, und bevor er meuchelt, erzählt er jedem seiner Opfer eine andere Variante seiner Autobiografie, und wie ihm als Kind die Mundwinkel aufgeschlitzt wurden.

Jack Nicholsons Joker aus dem 1989-„Batman“ verzichtet auf solche Schlenker in der Lebensgeschichte, er lacht, weil er die Dinge wirklich lustig findet. Wie ein Kind ohne Schuldbewusstsein, was seine Figur nur umso diabolischer macht. Nicholson wird überhaupt erst zum Joker, weil er bei einem Überfall in einen Chemiekübel fällt und schmilzt. Und dann halt so aussieht wie ein Clown. Nicholson braucht keine Tiefe, er ist eine Comic-Figur. Weil „Dark Knight“ dagegen auf Realismus setzt, dichtet Autor Christopher Nolan seinem Joker eine Krankheit an, die bösartig klingt, aber in der Regel ein trauriges Leiden ist. Batman teilt uns die Diagnose des Jokers mit: „Paranoide Schizophrenie“. Das klingt nach Massenmörder!

Cool Guys Don’t Look At Explosions

Die von Fans als Höhepunkt des Films bezeichnete Szene schildert das erste Zusammentreffen von Batman und Joker in einem Verhörraum der Polizei. Beide werden voll beleuchtet gezeigt, wir sehen also, wie ein Mann mit Gummi-Lauschern auf einen schlecht geschminkten Pierrot einschlägt. Das sieht nicht wie Gotham aus, das sieht aus wie die Ausnüchterungszelle beim Kölner Karneval. Pacino und De Niro trafen sich in „Heat“ in einem Diner und lieferten einen der besten Dialoge der jüngeren Filmgeschichte ab. In „The Dark Knight“ arbeitet sich der Fledermausmann mit Fäusten an einem Clown ab, der nicht sprechen will. (Eine leidlich lustige Parodie der Verhörszene gibt es übrigens hier.)

Diese zwei leeren Figuren und ihre spannungslose Konfrontation sind die größte Enttäuschung in „The Dark Knight“. Aber auch Nolans Anspruch auf eine realistische Lebenswelt fängt hier erstmals an zur Belastung für den Kinozuschauer zu werden, zumindest die Entwicklung der Story leidet darunter. Weil der Regisseur hier komplett auf Wirklichkeitsnähe setzt statt auf die übernatürlich entstandenen Hierarchien des phantastischen Comic-Genres, wird der Machtaufstieg diverser Antagonisten gleich zu Beginn mit schwierigen Geldtransfers erklärt. Die versteht kein Mensch.

Genauso wenig wie die Actionszene am Schluss, in der es Batman und seinem Gehilfen aufgrund „komplizierter Technik“ gelingt, „Handysignale zu visualisieren“, damit der geflügelte Rächer weiß, wo man hinschlagen muss. Der Zuschauer sieht das auf einer Leinwand mit schematischen Figuren. Hier geht es wohl um eine charmante Referenz an die Echo-Ortung von Fledermäusen; im Film wird daraus ein Lichtgewitter von Playstation-Männchen.

Einer geht noch: Kennen Sie das Spaß-Video „Cool Guys Don’t Look At Explosions“? In dieser Szenen-Sammlung, die meisten Filme daraus stammen vielleicht von Michael Bay, sieht man Klischee-Helden beim Verursachen richtig großer Feuersbrünste. Die Männer tun das, was man von ihnen erwartet: Laufen seelenruhig mit der Explosion im Rücken davon, umdrehen braucht nicht. In diese Reihe der Prolo-Pyros reiht sich auch der Joker in der Krankenhaus-Szene von „The Dark Knight“ ein, in diesem Action-Film voller leerer Gesten.

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