Die Schikanen des Schicksals elegant umfahren: SPACE kultivieren Glamour und große Gesten

Es war 1997, als die Band auf einmal in den falschen Film geriet. Eigentlich machen Space Musik in Technicolor: romantisch und glamourös, wobei Vorbilder wie Sinatra, Cole Porter und Marlene Dietrich immer hindurchschimmern. 1997 aber war wie Pink Floyds „The Wall“: Space erlebten einen Rockstar-Horror, gegen den die „Krise“ von Depeche Mode fast harmlos wirkt.

Mit der Single „Female Of The Species“ waren Space schlagartig ins Rampenlicht gerückt. In England zunächst, doch dann signalisierten urplötzlich auch Amerika und Japan Interesse. Auf einmal mußten weltweite Tourneen absolviert werden, was die Hitzköpfe aus Liverpool eindeutig überforderte. Nacheinander kippten sie um wie Dominosteine.

Am schlimmsten erwischte es Jamie, mit damals 19 Jahren der Jüngste. Nervenzusammenbruch, Depression – er landete im Krankenhaus, während der Rest der Band weiter durch die USA tourte. Kurz darauf blieb Sänger Tommy die Stimme weg. (Womöglich für immer, sagten die Ärzte – was sich dann doch als Irrtum entpuppte.) Keyboarder Franny bekam einen mysteriösen Ausschlag und eine Mandelentzündung. Dann starb Tommys Vater. Und schließlich die Mutter des damaligen Co-Produzenten und jetzigen Bassisten Yorkie.

Wie überwindet man ein derartiges Stakkato von Katastrophen?

Jamie winkt ab. Jetzt schreiben alle über unsere Krise“, beschwert er sich, „dabei sind wir schon längst einen Schritt weiter. Das neue Album ist nicht nur das beste, das wir bis jetzt gemacht haben; es ist auch das beste, das wir je gemacht haben werden. Weiter können wir nicht mehr gehen.“

Irgendwann, zum Ende des dunklen Jahres, fand sich die Band neu zusammen. Der Drummer wurde ausgewechselt, die Produktion sollte fortan in der Hand der Band liegen. Der erste Song auf „Tin Planet“ heißt programmatisch „Begin Again“. Jamie: „Erst die Tiefschläge haben uns zu einer Band gemacht.“ Die anderen nicken routiniert. Über „die Krise“ haben sie jetzt lange genug geredet.

Während gerade die britische Musikpresse noch in den alten Wunden bohrt, schwelgen Space schon wieder in großen Tönen. Sie präsentieren sich als Team und wollen nicht länger Rockstars sein – wobei das Klischee des bodenständigen Musik-Arbeiters in ihrem Fall entschuldbar ist, allein schon als Reaktion auf die Hybris des letzten Jahres. „Es nervt mich gewaltig, wenn ich in Liverpool in den Pub gehe – und mich alle nur auf die Band ansprechen“, sagt Jamie.

Am Abend des Interviews spielen Space auf einem College-Ball im südenglischen Bournemouth – wo ihr Hang zu Theatralik und Glitzer wunderbar zur Geltung kommt. Die Studentinnen haben sich in zu enge Abendkleider gezwängt, die Jungs kommen mit Fliege und gegelten Haaren. In diesem verschlafenen Badeort einen stilvollen Ball zu zelebrieren, wirkt zunächst deplaciert. In der Arbeiterstadt Liverpool ein schmachtender crooner zu sein, ist es allerdings nicht minder: Beim Singen breitet Tommy Musical-reif die Arme aus und kommentiert die Musik mit dem Vokabular des Entertainers. Manchmal wirkt er schon fast wie ein Sänger-Darsteller, der genauso überzeugend auch einen Bar-Pianisten mimen könnte. Egal: Band und Publikum verschmelzen in dem Wunsch, der Banalität des Lebens einen Hauch von Judy-Garland-Romantik abzuringen. Und niemand darf behaupten, es sei ihnen nicht gelungen.

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