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„Dogs Of Berlin“-Showrunner Christian Alvart: „Man schwimmt jetzt in einem viel größeren Teich“

Was macht eigentlich ein Showrunner? Christian Alvart, bekannt durch den Tschiller- „Tatort“, muss es wissen: Bei „Dogs of Berlin“ ist er Autor, Regisseur und Showrunner zugleich.

Wann kamen Sie auf die Idee für „Dogs Of Berlin“?

Der Stoff war zunächst für einen Roman gedacht, mit dem habe ich 2009 begonnen. Dann wurde daraus ein Serienkonzept, ich habe den Piloten geschrieben und es erst mal in die „Hoffentlich kann man mal so was machen“-Schublade gelegt. 2015 schrieb mich dann plötzlich der Netflix-­Vizepräsident Erik Barmack auf Facebook an, ob ich nicht eine Show für sie hätte. Ich habe dann erst mal gegoogelt, ob es den wirklich gibt. Das klang so nach dem saudischen Prinzen, der die Millionen loswerden will! Aber er war echt. Damals hatte ich allerdings noch drei Til-Schweiger-„Tatorte“ sowie „Abgeschnitten“ zu drehen, deshalb hat es dann noch mal drei Jahre gedauert.

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Dabei klingen die Themen sehr nach 2018: Neonazis, Verbrecher-Clans, ein umstrittener türkischer Fußballstar …

Ich finde, das war alles abzusehen. 2009 war es vielleicht noch nicht so im Vordergrund, aber schon zu spüren.

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Wie realistisch sollte eine Serie sein?

Für diese Serie war es mir extrem wichtig, dass sie realistisch ist. Nicht real, nur realistisch. Wenn man eine Serie macht, die was zu sagen hat und an der gesellschaftlichen Debatte teilnehmen möchte, dann kann man bestimmte Sachen nicht so machen wie bei einer reinen Entertainment-Serie. „Dogs Of Berlin“ brauchte einen überhöhten, verdichteten Realismus. Die Polizisten sitzen natürlich nicht stundenlang am Schreibtisch, aber die Geschichten und die Sprache sind schon sehr an der Realität orientiert. Und ich habe versucht, Figuren zu erschaffen, die ich selbst gern sehen möchte. Die ich vermisse. Keine Stereotype. Wenn man philosophische und gesellschaftliche Fragen besprechen möchte, braucht man gute Vertreter dafür. Die beiden Polizisten repräsentieren ja auch Standpunkte, wie man auf die moderne Gesellschaft blicken kann. Da ist es sehr wichtig, dass zum Beispiel Erol ein liberaler Vertreter mit türkischen Wurzeln ist, nicht der klassische Klischeetürke.

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Was sollen die Zuschauer aus der Serie mitnehmen?

Dass man mit Empathie auf andere Menschen gucken sollte, auch auf die, die vielleicht nicht so sind wie man selbst. Und das gilt in alle Richtungen. Und dass man vielleicht nicht so schreit! Mich stört es gerade, dass unsere Debatten so unzivilisiert geworden sind – dadurch wird nur noch gespalten, nicht versöhnt.

Sie sind bei „Dogs Of Berlin“ Autor, ­Regisseur – und Showrunner. Was ist das ­eigentlich?

Ein Showrunner ist vor allem dann wichtig, wenn man nicht auch noch gleichzeitig Autor und Regisseur aller Folgen ist. Was ich in Zukunft auch nicht mehr sein möchte, aber bei der ersten Staffel sollte ich eine Blaupause schaffen. Der Showrunner ist derjenige, der mit den Autoren, den Regisseuren, den Kameraleuten, den Kostümbildnern und so weiter seine Visionen vertritt. Ein Regisseur der Regisseure. Er steht für die Stimme, den Standpunkt der Show.

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Für wie viele Staffeln haben Sie Stoff?

Für vier. Ich habe mir vier ausgedacht, so passt es mit den Wendepunkten und den Zeiträumen der Geschichte – aber natürlich weiß ich nicht, wie viele Netflix machen wird. Da es mich tierisch nervt, dass es jetzt so einen Trend gibt, Staffeln mittendrin aufzuhören, werde ich also bei dieser Staffel und bei weiteren, falls es sie geben sollte, immer dafür sorgen, dass es eine richtige Endstation der Reise gibt.

Was muss man denn bedenken, wenn man eine deutsche Serie dreht, die international gesehen wird?

Das eine oder andere muss man etablieren, was in Deutschland vielleicht nicht nötig wäre, zum Beispiel eine NSU-Referenz. Das muss man in den anderen Sprachfassungen erklären. Und es reicht eben nicht mehr zu denken, für Deutschland ist das gut genug oder in Deutschland hat man so was noch nicht gesehen. Solche Gedanken gehen gar nicht. Man schwimmt jetzt in einem viel größeren Teich.

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