Eulenspiegel im Scheinwerferlicht

An der neuen Platte von Mike Skinner wird man wieder mögen, was einem schon an den ersten beiden Alben gefiel: daß man Skinner tatsächlich gern zuhört, weil er beim Reimen so direkt spricht. Daß sein Gossen-HipHop und Keller-R&B aus dem toughen England viel lebensnaher ist als das hirnlose Geprahle der meisten US-Kollegen. Daß Skinner sehr lustig sein kann und einen guten britischen Eminem abgibt. Und daß Skinners Beats immer noch home made, billig und ein wenig amateurhaft nachgemacht klingen. „Die Leute denken ja immer, daß ich die Sachen einfach so raushaue“, sagt Skinner, „Tatsache ist aber, daß ich viel Zeit darauf verwende, die Oberflächen nicht so geleckt klingen zu lassen. Wenn alles nur noch fließt und einwandfrei organisiert ist, nimmt man die Worte ja gar nicht mehr wahr.“ Um auch inhaltlich basisnah bleiben zu können, hatte Skinner für Album Nummer zwei eine Art Erzählung entwickelt. Obwohl er das Sozialbau-Leben schon bald nach dem Debüt hinter sich gelassen hatte, war der Schauplatz von „A Grand Don’t Come For Free“ eher eine billige Londoner Curry-Bude als ein schicker Schuppen am Sunset Blvd. Das können gar nicht viele, so ein Straßentheater aus dem ahren britischen jugendleben, und Skinner wollte dieses Vermögen nicht ans Geld verlieren. Auf dem neuen Werk, „The Hardest Way To Make An Easy Living“, singt Skinner nun doch vom Ferrari-Fahren und Klamottenkaufen, wissend, daß das normale Leben seiner Zuhörer nun wirklich nicht mehr Seins ist und auch kein Kunstgriff das vorgaukelnkönnte. Was also tun? Trotz der Shopping-Anfälle, der vielen Drogen und der Spielsucht kann und will Skinner natürlich nicht die Dekadenz preisen und öffentlich sein Geld zählen. Stattdessen nimmt er die Hatz der britischen Boulevard-Presse und einige persönliche Veränderungen zum Anlaß, sein Leben medienwirksam auszubreiten und uns zu erzählen, was ihm passiert ist, als der Ruhm kam.

Auf Ihrer neuen Platte werden Sie von Ihrem Manager verprügelt, verlieren Geld und denken über Selbstmord nach. Geht uns das wirklich etwas an?

Zumindest in Britain sind meine Fehltritte und Krisen längst Allgemeinwissen geworden. Das war alles sehr peinlich, und ich hätte es lieber nicht in der Zeitung gelesen.

Weil die Dinge falsch dargestellt worden sind?

Nein, weil das meiste stimmte. Das macht es ja so peinlich. Wenn ich nun meine Version der Story erzähle, geht es nicht darum, besser dazustehen, sondern darum, die Sachen wieder zu mir zurückzuholen und dieses Kapitel abzuschließen.

Hat sich Ihr Leben denn so gravierend geändert?

Ich wollte die Welt sehen und frei sein und immer genau das machen, was ich wollte. Mir ist aber bald aufgefallen, daß ich mich nur noch wiederholte. Die Hotels, die Partys, der Sex, ich wurde ein stinklangweiliger Typ. Außerdem war ich einfach am Ende, körperlich und mental. Man soll das aber alles nicht so hochhängen, als mir diese Dinge aufgefallen sind, habe ich sie halt geändert.

Auch der Tod Ihres Vaters ist Thema auf Ihrer Platte.

Das war der Auslöser. Ich schätze, ich habe angefangen, mir die großen Fragen zu stellen, was mir nicht gut tut. Mir fiel auf, daß ich dem Erfolg nachjage, damit ich nicht übers Leben nachdenken muß. Lieber mime ich den Blöden, als daß ich mich dieser existenziellen Angst stelle – ich weiß nämlich nicht, wie ich damit umgehen soll.

Und so wird die Karriere des Mike Skinner mit dem dritten Werk also doch noch zum Entwicklungsroman. Der guten Musik schadet es nicht, und auch den Humor hat Skinner nicht verloren: Es gibt wieder viel zu lachen, wenn Skinner durchs Leben trottelt und seinen Exzessen immer auch eine witzige Seite abgewinnen kann. Und weil das so ist, gelingt der Clou trotz Ruhm, VIP-Leben und Vermögen am Ende zum dritten Mal: Skinner bleibt einer von uns.

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