Fast wie Sex

Women in Rock, ein neues Kapitel: Wer aussieht und singt und schreibt und sich präsentiert wie Danielle Brisebois, wer im Kinderchor der New York City Opera die ersten Auftritte hatte, mit sechs Jahren unter der Regie von Mike Nichols in dem Bühnenmusical „Annie“ spielte und später qua Fernsehserie „All In The Family“ dem nationalen TV-Haushalt angehörte der hat schon viel zu erzählen, wenn das Debüt-Album erscheint.

Danielle Brisebois wuchs in der Öffentlichkeit auf, weshalb sie das Private wie selbstverständlich mit dem Allgemeinen verbindet. „Arrive All Over You“ heißt ihr erster Versuch im Songschreiben, und die sexuelle Konnotation des Titels ist natürlich ebenso spekulativ wie überwältigend. „Ich habe es gern subtil“, sagt sie nur dazu. Das Cover-Foto zeigt sie über eine Badewanne gebeugt bei der Haarwäsche. „If life gets you lemons, make lemonade“, verkündet keck die Aufschrift ihres Shirts. Grelle Signale – und ihr Blick könnte Männer vernichten.

Dabei ist Danielle Brisebois kein Riot Girl. Geschult an der Disziplin der Fernsehstudios und mit veritablem High-School-Abschluß ausgestattet, überläßt sie nichts dem Zufall. Noch ihre demonstrative Gesprächsbereitschaft und Ehrlichkeit wirken perfekt einstudiert, wie eine Maske, die zum eigentlichen Gesicht geworden ist. Wohl behütet sei sie aufgewachsen; eine amerikanische Jugend: „Ausreißen und in Clubs gehen, Parties mit Jungs, und dann kommen die Eltern zu früh nach Hause – das übliche Zeug eben. Hat Spaß gemacht.“ Ein bißchen rebelliert habe sie auch, ganz ohne Grund.

Zehn Jahre konnte Danielle sich auf ihr Debüt vorbereiten, nachdem sie die Fernseh-Arbeit aufgegeben hatte. Ihre Meriten als Schauspielerin machten es ihr auch nicht einfacher, einen Plattenvertrag zu bekommen. „Im Gegenteil, das Image einer Schauspielerin ist eher hinderlich.“ Daß sie dennoch von Epic engagiert wurde, liegt notwendigerweise an den Mainstream-Qualitäten ihrer Songs. „Arrive All Over You“ ist eher der Brückenschlag zwischen Heart und Sheryl Crow als der Anschluß an das Sensibilitäts- und Provokationsprogramm von PJHarvey oder Tori Amos. „Don’t wanna talk about love, just give it to me, baby“ – das ist nicht der Stoff, aus dem feministische Maximen abgeleitet werden können. Der Feminismus dürfe „nicht übertrieben“ werden, findet Danielle, das sei oft „so aggressiv und blindwütig“. Wie vielen attraktiven Frauen bleibt ihr das Kämpferische fremd: „Alles Verallgemeinerte ist schlecht. Es gibt solche und solche Männer, und auch solche und solche Frauen.“

Ihre Jugendidole heißen John Lennon, Debbie Harry, Robert Smith; heute kann sie sich für die Smashing Pumpkins begeistern. Henry Rollins, den sie während ihre Zeit in Kalifornien „mit Mädchen“ herumhängen sah, sei „einfach zornig, aber ohne ersichtlichen Grund“. Immerhin: „Cool“ findet sie ihn doch. Huggy Bear, L7, Babes In Toyland, Hole – mit den Suffragetten möchte Danielle lieber nichts gemein haben.

Statt dessen füllt sie mit moderaten emotionalen Gemeinplätzen die Lücken, die ihre Lieder hinterlassen: „Wenn ich einen Song wie Sophie Hawkins‘ ,Damn I Wish I Was your Lover‘ höre, dann kann ich ähnliche Empfindungen wie beim Sex haben. Der Song ist dann die Erotik. Man kann Liebe mit Sex haben oder Liebe ohne Sex.“ Nur Sex ohne Liebe sei „nicht so gut“.

Die Schauspielerei ist nun endgültig vorbei. „Mir bedeutet die Musik mehr. Das Songschreiben! Ich möchte nichts anderes mehr machen.“ Wenn sie das mit sanfter, melodischer Stimme und schüchternem Lächeln sagt, dann glaubt man ihr aufs Wort.

Im Fahrstuhl zum Foyer aber sagt Danielle Brisebois nichts mehr. Als sie ankommt, ist ihr Gesicht ganz leer.

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