Grunge, Glamour und Rausch: Leben und Tod von Scott Weiland
Scott Weiland war ein Ausnahmetalent, getrieben von Dämonen und einer fatalen Liebe für Heroin.
Scott Weiland war eine der charismatischsten Stimmen der Grunge-Ära (und weit darüber hinaus). Er hatte das, was viele seiner Seattle-Kollegen nicht hatten: die einen schillernde Glam-Faktor und den Hang zu stilistischen Grenzgängen. Süchtiger und Poet, großer Sänger und tragische Figur – Scott Weiland verkörperte die Extreme des Rock’n’Roll wie kaum ein anderer seiner Generation.
Mit den Stone Temple Pilots schrieb er Musikgeschichte. Er veröffentlichte Solo-Alben, später sang er in der Supergroup Velvet Revolver. So wechselhaft wie seine Musik war auch sein Leben: Triumphe auf den großen Bühnen der Welt wechselten sich ab mit Abstürzen, Entzügen und Skandalen ab.
Scott Weiland: Die frühen Jahre
Scott Richard Weiland wurde am 27. Oktober 1967 in San José, Kalifornien, als Scott Richard Kline geboren. Fünf Jahre später adoptierte ihn sein Stiefvater David Weiland. Kurz darauf zog die Familie ins beschauliche Bainbridge Township, Ohio.
Als Teenager kehrte er nach Südkalifornien zurück, mitten hinein in den Soundtrack der Westküste der frühen Achtziger. In Huntington Beach schrieb er sich an der Edison High School ein. Er sang im Chor, spielte im Freshman-Football-Team. Nach dem Abschluss schlug er sich in Los Angeles als Layout-Artist bei der der Zeitung Los Angeles Daily Journal durch.
Die musikalischen Anfänge
In Huntington Beach lernte Scott Weiland den Bassisten Robert DeLeo kennen. Die beiden teilten musikalische Vorlieben und begannen, gemeinsam Songs zu schreiben. Kurz darauf stieß Roberts Bruder Dean DeLeo an der Gitarre dazu, später folgte Schlagzeuger Eric Kretz. Zunächst nannte sich die Band Mighty Joe Young, bevor sie sich aus rechtlichen Gründen in Stone Temple Pilots umbenannte.

Ab 1990 nahmen sie erste Demos auf und erspielten sich in den Clubs von San Diego und Los Angeles eine stetig wachsende Fangemeinde. 1992 unterschrieben Stone Temple Pilots bei Atlantic Records. Sie begannen mit den Aufnahmen zu ihrem Debütalbum Core, das sich in den USA mehr als acht Millionen Mal verkaufte und die Band schlagartig bekannt machte.
Scott Weiland: Durchbruch mit Stone Temple Pilots
Mit dem zweiten Album Purple, das im Juni 1994 erschien, gelang Stone Temple Pilots der endgültige Beweis, dass ihr Erfolg kein Zufall war. Produziert erneut von Brendan O’Brien, debütierte die Platte auf Platz 1 der Billboard-200-Charts und hielt sich dort drei Wochen lang. Hits wie „Vasoline“, „Interstate Love Song“ und „Big Empty“ festigten den Status der Band als einer der führenden Rockacts der Dekade. „Interstate Love Song“ stand 15 Wochen lang an der Spitze der Mainstream-Rock-Charts und wurde zu einem der meistgespielten Radiohits der 1990er-Jahre.
Während „Purple“ millionenfach verkauft wurde – in den USA allein über sechs Millionen Mal – begann sich Scott Weilands Privatleben stärker in den Vordergrund zu drängen. Ende 1995 wurde Weilanbd erstmals wegen Drogenbesitzes verhaftet, ein Vorfall, der auch die geplanten Tourpläne der Band beeinflusste.
Trotz dieser Turbulenzen veröffentlichten Stone Temple Pilots 1996 ihr drittes Album „Tiny Music… Songs from the Vatican Gift Shop“. Mit einem experimentelleren, poppigeren Sound überraschten sie Fans und Kritiker gleichermaßen. Songs wie „Big Bang Baby“ und „Trippin’ on a Hole in a Paper Heart“ zeigten Weilands Fähigkeit, sich musikalisch neu zu erfinden.
Nach den Erfolgen von „Tiny Music… Songs from the Vatican Gift Shop“ meldeten sich Stone Temple Pilots 1999 mit ihrem vierten Album No. 4 zurück. Der härtere Sound der Platte brachte ihnen mit der Single „Down“ eine Grammy-Nominierung in der Kategorie Best Hard Rock Performance ein. „Sour Girl“ wurde zu einem ihrer größten Radiohits.
Doch hinter den Kulissen verschärften sich die Probleme. Weiland kämpfte wieder mit seiner Drogenabhängigkeit, was zu mehreren Festnahmen und Entzugsaufenthalten führte. Tourpläne mussten verschoben oder abgesagt werden. Die Spannungen zwischen den Bandmitgliedern nahmen stetig zu.
2001 erschien das fünfte Studioalbum „Shangri-La Dee Da“, produziert von Brendan O’Brien. Trotz positiver Kritiken und Songs wie „Days of the Week“ und „Hollywood Bitch“ blieb der kommerzielle Erfolg hinter den Erwartungen zurück. Interne Konflikte – verstärkt durch Weilands unregelmäßige Verfügbarkeit – machten es zunehmend schwierig, als Einheit zu arbeiten.
2003: Stone Temple Pilots trennen sich
Im Herbst 2003 gaben Stone Temple Pilots offiziell ihre Trennung bekannt. Der Grund für die Trennung war aus Weilands Sicht eine Mischung aus unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft der Band und dem Einfluss eines neuen Managements. Nach einer geplanten Pause wollte er entweder eine Jubiläumstour zum 20-jährigen Bestehen oder ein neues Album aufnehmen, um die Band relevant zu halten.
Seine Bandkollegen schlugen jedoch einen anderen Weg ein. Mit dem Managementwechsel, so Weiland, verschärften sich die Spannungen, bis aus der langjährigen Zusammenarbeit ein zerbrochenes Verhältnis wurde.
„Es ist einfach schade, wie es gelaufen ist“, sagte Weiland in einem Interview mit der QMI Agency über die Trennung von Stone Temple Pilots. „Ich habe gesagt, dass ich sechs Monate Pause brauche. Ich fand, wir brauchen diese sechs Monate, um eine 20-Jahre-Jubiläumstour zu machen – und diese Tour hat dann nicht stattgefunden.
Also sagte ich: ‚Okay, dann müssen wir ein neues Album aufnehmen, denn wir können nicht einfach weitermachen, indem wir nur ein Greatest-Hits-Set spielen. Das wird nicht funktionieren. Wir verlieren unsere Fanbasis. Unsere Gagen beginnen zu sinken.‘“

Weiland weiter: „Ich bin davon ausgegangen, dass wir alle auf derselben Seite stehen, als wir von der Tour kamen – aber das war nicht so. Sie bekamen ein anderes Management, und die Dinge sind einfach vergiftet. (Ich kenne sie) seit meiner Teenagerzeit. Verrückte Dinge passieren, vor allem, wenn man plötzlich ein anderes Management hat. Die Leute sehen die Dinge auf ihre Weise, und oft wird das, was den Bandmitgliedern vermittelt wird, durch die Brille des Managements gefiltert – und so hört man es dann.“
Scott Weiland stößt zu Velvet Revolver
Nach dem Ende von Stone Temple Pilots schloss sich Weiland 2003 der neu gegründeten Rock-Supergroup Velvet Revolver an. Die Band bestand aus den ehemaligen Guns-N’-Roses-Mitgliedern Slash (Gitarre), Duff McKagan (Bass) und Matt Sorum (Schlagzeug) sowie Dave Kushner (Gitarre). Auf der Suche nach einem Sänger war man über gemeinsame Bekannte auf Weiland gestoßen.
Das Debütalbum Contraband erschien im Juni 2004, stieg sofort auf Platz 1 der US-Billboard-200-Charts ein und erreichte mehrfach Platinstatus. Die Single „Slither“ brachte Velvet Revolver 2005 den Grammy für die Best Hard Rock Performance ein, „Fall to Pieces“ wurde ein weiterer Radiohit.
Der plötzliche Erfolg brachte die Band auf weltweite Tourneen, doch Weiland blieb auch in dieser Phase von rechtlichen Problemen und Drogenrückfällen begleitet. 2007 folgte das zweite Album Libertad, produziert von Brendan O’Brien, das kommerziell hinter dem Debüt zurückblieb, aber bei den Fans Anerkennung fand.
Trennung von Velvet Revolver
Die Spannungen innerhalb der Band wuchsen – nicht zuletzt wegen unterschiedlicher kreativer Vorstellungen und Weilands unregelmäßiger Verfügbarkeit. Im April 2008 gab Velvet Revolver offiziell bekannt, sich von ihrem Sänger zu trennen.

Weiland reagierte mit einem scharf formulierten Statement, in dem er gegen seine Ex-Bandkollegen austeilte. Es sei eine Farce, ihn zu feuern, nachdem er selbst die Band wenige Wochen zuvor bei einem Konzert in Glasgow für „tot“ erklärt habe. Ohne ihn, so Weiland, sei Velvet Revolver nie mehr als ein Projekt gewesen, das erst durch seine Beteiligung zur Band geworden sei.
Die von Slash öffentlich geäußerten Zweifel an seiner Hingabe seien „eine schreiende und lahme Ausrede, um die Wahrheit zu verdecken“. Diese Wahrheit sei, dass die Band „auf verschiedenen Ebenen seit einer Weile nicht weiterkommt – musikalisch war es ganz ok, für eine gewisse Zeit“. Zudem habe fast jedes Mitglied wiederholt Aufenthalte in Entzugskliniken hinter sich. Weiland kündigte an, sich auf die Zukunft zu freuen – und auf die bevorstehende Reunion mit Stone Temple Pilots. Für seine alten Kollegen hatte er noch einen sarkastischen Rat parat: „Viel Glück bei der Sängersuche. Sebastian Bach wäre doch eine tolle Wahl!“
STP-Reunion
Noch im selben Jahr, kurz nach seinem Abschied von Velvet Revolver, stand für Weiland die Rückkehr zu Stone Temple Pilots an. Im April 2008 kündigte die Band offiziell ihre Reunion an – mit einer ausgedehnten US-Tour, die im Mai begann. Die Setlists mischten Klassiker aus den Neunzigerjahren wie „Interstate Love Song“, „Plush“ oder „Vasoline“ mit tieferen Cuts und markierten für viele Fans das lang ersehnte Comeback in Originalbesetzung. Für Weiland war es nicht nur eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, sondern auch eine Gelegenheit, das Kapitel Velvet Revolver hinter sich zu lassen.
2010 folgte mit Stone Temple Pilots das erste Studioalbum der Band seit neun Jahren. Produziert von den DeLeo-Brüdern, kehrte es zu einem eher melodischen, classic-rock-geprägten Sound zurück und brachte Singles wie „Between the Lines“ und „Take a Load Off“ hervor. Kritiker*innen reagierten gemischt, doch das Album stieg in den US-Charts bis auf Platz 2 und festigte die Live-Renaissance der Band. Hinter den Kulissen allerdings blieben Spannungen bestehen – sowohl über kreative Fragen als auch über Weilands unbeständige persönliche Situation, die in den kommenden Jahren erneut für Brüche sorgen sollte.
2011–2013: Der zweite Bruch mit Stone Temple Pilots
Was als nostalgischer Schulterschluss begann, endete erneut im Streit. 2011 sprach Gitarrist Dean DeLeo im Rolling Stone noch von „wirklich schönen Theatern im ganzen Land“, in denen er die Band sehen wollte – klein, intim, nah am Publikum. Zum 20. Jubiläum von Core waren große Pläne im Umlauf: Weiland selbst versprach Archivmaterial, eine Coffee-Table-Edition, eine Box, vielleicht sogar ein neues Album und selbstverständlich eine Tour. Stattdessen häuften sich die Zwischenfälle. Das versprochene Jubiläumskonzept blieb aus, Shows begannen verspätet oder wurden verkürzt, und im September 2012 sagte die Band ein Konzert in Lethbridge, Alberta, wegen angeblich angeordneter Stimmbandschonung kurzfristig ab.

Im Februar 2013 folgte der Schnitt: Stone Temple Pilots gaben bekannt, dass sie sich von Scott Weiland getrennt hatten – zum ersten Mal überhaupt änderte sich damit die Besetzung. Während Weiland bereits mit seiner Soloband auf Tour war, entbrannte ein Rechtsstreit um die Nutzung des Bandnamens. Beide Seiten verklagten sich gegenseitig, ehe die Angelegenheit außergerichtlich beigelegt wurde: Die DeLeo-Brüder und Schlagzeuger Eric Kretz behielten die Namensrechte.
Scott Weiland: Andere Projekte
Neben seinen Hauptbands verfolgte Scott Weiland auch eine Solokarriere, die ihn in völlig andere stilistische Gefilde führte. 1998 erschien mit „12 Bar Blues“ ein Debüt, das sich deutlich von den Stone Temple Pilots abhob. Weiland zeigte sich darauf experimentell, kantig und voller Einflüsse aus Glam, Psychedelia und Elektronik. Zehn Jahre später folgte mit „’Happy‘ in Galoshes“ ein zweites Soloalbum, das atmosphärisch zwischen Alternative Rock und Neo-Psychedelia pendelte und auf seinem eigenen Label Softdrive erschien.
2011 überraschte Weiland mit The Most Wonderful Time of the Year, einer Sammlung klassischer Weihnachtslieder, die er in seinem eigenen, oft rauchig-melancholischen Stil interpretierte. 2015 schließlich veröffentlichte er mit seiner Band Scott Weiland and the Wildabouts das Album „Blaster“. Dieses markierte eine Rückkehr zu einem härteren, gitarrengetriebenen Sound. Im selben Jahr erschien auch das Debüt der Supergroup Art of Anarchy, bei der Weiland als Sänger mitwirkte – es sollte sein letztes Album vor seinem Tod bleiben.
Scott Weiland über seine Drogensucht
In einem Interview mit „Esquire“ sprach Weiland offen über seine Faszination für Heroin. „Die meisten meiner musikalischen und künstlerischen Vorbilder hatten mit Drogen zu tun – von William Burroughs über Keith Richards bis hin zu den Jazz-Größen. Wenn man die Fluidität dieser Musik hört, kann man das Heroin darin hören. Es gab etwas daran, das mich anzog“, sagte er.
Er habe sich gefragt, warum Heroin zugleich schön und zerstörerisch wirke. Diese Koexistenz von Schönheit und Dunkelheit habe ihn fasziniert – er nenne das „die große Dichotomie“.
„Nachdem ich zum ersten Mal Drogen genommen hatte, wusste ich, dass ich von diesem Tag an in jeder Situation zurechtkommen würde. Heroin gab mir ein Gefühl der Sicherheit, nahm mir alle Ängste und distanzierte mich von anderen Menschen. Musikalisch ermöglichte es mir, mich voll einzulassen und zu wagen – bis zu dem Punkt, an dem man keine Verbindung mehr zu etwas Realem hat. Alles, was existiert, ist das Verlangen.“
Besonders drastisch sei der Moment gewesen, als er begann, sich zu spritzen: „Da wusste ich, dass ich nicht mehr am normalen Leben festhalten konnte. Es ist, als würde dein Leben wie ein Freund über dem Rand eines Gebäudes hängen. Du versuchst, ihn festzuhalten, aber seine Hand rutscht – und du weißt, dass du diesen Menschen verlieren wirst. Und dieser Mensch ist dein früheres Ich.“
Scott Weiland: Tod
Am 3. Dezember 2015 erreichte die Nachricht die Musikwelt wie ein Schock: Scott Weiland war tot. Gefunden wurde er leblos in seinem Tourbus vor einem geplanten Auftritt mit seiner Band The Wildabouts in Bloomington, Minnesota. Die offizielle Todesursache lautete auf eine versehentliche Überdosis aus Alkohol, Kokain und verschreibungspflichtigen Medikamenten. Ein Befund, der für seine Witwe Jamie Jahre später zu einem eigenen Kampf wurde.

2024 sagte sie im Podcast „Appetite for Distortion“, sie sei überzeugt, dass Scott nicht an einer Überdosis gestorben sei – und dass genau diese offizielle Version einer der Gründe sei, warum er nicht die Anerkennung erhalte, die ihm zustehe.
„Ich habe das Gefühl, dass er nicht die Anerkennung und den Respekt bekommt, den er absolut verdient hat. Ich habe das Gefühl, als er starb, sagten alle: ‚Das ist tragisch, aber natürlich hat er eine Überdosis genommen‘. Hat er aber nicht“, erklärte sie. Für Jamie war diese Darstellung nicht nur falsch, sondern auch ein Stempel, der sein Vermächtnis verzerrte. Weiland hinterlässt seine Ehefrau Jamie, seinen Sohn Noah aus erster Ehe mit Mary Forsberg sowie seine Stieftochter Lucy.