Inside: Putins fossil befeuerter Siegeszug in Alaska

Keine Sanktionen, kein Waffenstillstand, keine Sicherheitsgarantie – aber reichlich fossile Deals nach Trumps peinlicher Putin-Beschwichtigung in Sachen Ukraine

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Es war eine der turbulentesten und bedeutsamsten Wochen im globalen politischen Ringen um den Ukrainekrieg. Sie begann am Freitag mit dem peinlichen Gipfel in Alaska zwischen US-Präsident Donald Trump und Wladimir Putin. Gefolgt von sieben der prominentesten europäischen Staatschefs, die drei Tage später eilig an die Seite des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eilten und ins Weiße Haus kamen, um Trump bei einem hastig anberaumten Treffen Paroli zu bieten.

Ein Balanceakt zwischen Krieg und fossilen Interessen

Trump gab mindestens zwei von Putins gefährlichsten Forderungen nach. Kein Waffenstillstand in der Ukraine und keine weiteren Sanktionen auf russisches Öl und Gas. Russland kam so seinem Ziel näher, wieder in die Weltwirtschaft einzutreten. Befreit von neuen Sanktionen und mit satten Vorteilen für die größten Öl- und Gasfirmen der Welt. ExxonMobil wurde beim Gipfel lukrative Verträge in Aussicht gestellt. Die Ukraine versuchte gegenzuhalten, indem sie Öl- und Gasprojekte sowie eine Raffinerie speziell für US-Firmen unter dem Trump’schen U.S.-Ukraine-Mineralienabkommen anbot. Unter dem Deckmantel amerikanischen Eigentums wird zudem versucht, den Verkauf russischer Energieträger auszuweiten.

Die Gespräche konnten den brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht bremsen. Stattdessen wurde eine neue globale Machtbalance sichtbar. Die USA unter Trump stellen sich weiterhin offen an die Seite brutaler Autokraten und Diktatoren.

„Putin war komplett vom Westen isoliert. Und nun lädt ihn ein US-Präsident nach Alaska ein. Zu etwas so Symbolischem und Wichtigem, ohne dass Putin dafür auch nur irgendetwas geben musste, außer den Krieg in der Ukraine weiterzuführen“, sagt Sergey Radchenko, Historiker an der Johns-Hopkins-Universität. „Putin dürfte das als einen gewaltigen Sieg empfinden. Ohne einen Preis dafür gezahlt zu haben.“

Der Gipfel, offiziell zur Beendigung des Krieges angesetzt, drehte sich mindestens genauso stark um Investitionen und Geschäfte zwischen den USA und Russland. „Unter dem Deckmantel von Friedensgesprächen sucht Putin politischen und wirtschaftlichen Gewinn. Inklusive einer Entlastung beim globalen Druck“, erklärt Yuliia Melnyk, Umweltberaterin und Mitgründerin der ukrainischen Organisation Ekoltava.

Proteste in Alaska – Putins „Siegesrunde“

„Ich dachte, dieser Krieg sei schwarz und weiß, dass klar sei, wer die Bösen sind – aber die USA sind nicht länger die Guten“, sagt die Ukrainerin Mariia Freeman traurig. Sie war 2014 aus Luhansk geflohen und lebt heute in Anchorage. Am Vorabend des Gipfels stand sie mit Hunderten anderen Menschen, ukrainischen Flaggen und Sonnenblumen an einer Straßenecke. Ihre Protestplakate („Where’s Zelensky?“, „Stay home dictators!“) gingen im Hupen vorbeifahrender Autos fast unter – ein lautstarkes Zeichen der Solidarität.

Beim eigentlichen Treffen präsentierte sich Putin triumphierend, während Trump auffallend kleinlaut wirkte. Bilder, wie Putin über einen roten Teppich auf US-Militärgelände schreitet, verbreiteten sich in ukrainischen Netzwerken mit Entsetzen. Der ICC-Haftbefehl gegen Putin verhinderte seine Auslieferung in den USA nicht – Washington ist kein Mitglied des Gerichts. Stattdessen fuhr er Seite an Seite mit Trump in der Präsidentenlimousine „Beast“.

Fossile Deals im Zentrum des Gipfels

Das gemeinsame Pressegespräch erinnerte eher an russisches Staatsfernsehen. Putin sprach acht Minuten lang über historische Bande, wirtschaftliches Potenzial – und über die „tremendous potential“ gemeinsamer Öl- und Gasprojekte, vor allem in der Arktis. Die Ukraine erwähnte er nur fünfmal, und dann nur im Zusammenhang mit Maximalforderungen: kein NATO-Beitritt, Abgabe besetzter Gebiete, neue Wahlen, Ende der Sanktionen.

Trump dagegen wirkte müde, sprach nur wenige Minuten, lobte russische Geschäftsleute und kündigte an, Selenskyj und die EU anzurufen. Als Putin rief: „Next time in Moscow!“, nickte Trump schwach: „I could see it possibly happening.“ Fragen der Presse waren unerwünscht – stattdessen bekam Fox-Moderator Sean Hannity direkt ein Exklusivinterview.

Kein Waffenstillstand, keine Sanktionen

Noch vor dem Gipfel hatte Trump Putin mit verschärften Sanktionen und der Forderung nach einem Waffenstillstand gedroht. Doch nach dem Treffen war klar: beide Punkte ließ er fallen.

Ukrainische Energieexperten wie Jurij Vitrenko warnen, dass Putin Energie als geopolitische Waffe missbraucht. Sanktionen hatten die russischen Einnahmen aus Öl- und Gasexporten bereits um fast 40 Prozent gedrückt. Doch genau deshalb will Putin sie loswerden – und Trump scheint bereit, diesen Weg zu ebnen.

Forscher wie Isaac Levi vom Centre for Research on Energy and Clean Air betonen: „Dass Putin nach Alaska kommt, um über die Aufhebung von Sanktionen zu verhandeln, zeigt, wie wichtig diese für Russlands Energie- und Wirtschaftsmacht sind.“

Das „Mineralienabkommen“ als Druckmittel

Bereits im Frühjahr hatte Trump Selenskyj zu einem umstrittenen Mineralienabkommen gezwungen, das den USA weitreichende Kontrolle über ukrainische Ressourcen sichert. Es umfasst Öl, Gas, Kohle und Pipelines – viele davon in russisch besetzten Gebieten. Kurz vor dem Gipfel verkaufte Kiew zwei Förderblöcke mit Sonderrechten für US-Firmen. Hoffnung der Ukraine: Dass amerikanische Investitionen auch militärischen Schutz nach sich ziehen könnten.

Doch Experten fürchten, dass die USA gleichzeitig auch russischen Gasfluss über ukrainische Pipelines wieder zulassen könnten – ein enormer Sieg für Moskau.

Fossile Abhängigkeit als Gefahr

„Wir können nicht in eine dunkle Energiezukunft zurückfallen, die Diktatoren wie Putin stärkt und Kriege finanziert“, warnt die ukrainische Juristin Switlana Romanko. Nur der Ausstieg aus Öl und Gas könne dauerhaften Frieden sichern.

Gleichzeitig arbeiten US-Investoren bereits an der Wiederbelebung des umstrittenen Nord-Stream-2-Projekts, andere wollen Anteile an TurkStream erwerben. Damit würde Russland, abgesichert durch US-Beteiligung, seine Energieabhängigkeit Europas neu zementieren.

Putins Vision bleibt klar: die Ukraine in eine Art „Belarus-plus“ zu verwandeln – ein Vasallenstaat unter russischer Kontrolle. Und Trump scheint bereit, ihm mit fossilen Geschäften den Weg zu ebnen.

Schlussbild: Protest statt Resignation

Für die Ukrainerin Freeman in Anchorage ist der Protest vor Ort ein kleiner Sieg: „Es ist besser, auf der Straße zu stehen, als allein zu Hause an den Nachrichten zu verzweifeln.“ Dass Hunderte mit ihr demonstrierten, habe sie „empowered“. Doch die Bilder des roten Teppichs für Putin in Alaska zeigen: Der Kampf gegen Krieg, fossile Abhängigkeit und autoritäre Deals ist noch lange nicht vorbei.