Ja, „Fantastic Four: First Steps“ bringt Marvels Urgesteine ins MCU, aber …
Nein, die bisher beste Leinwand-Version der Fantastic Four durchbricht den Fluch rund um Marvels erste Superheldenfamilie nicht vollständig
Bevor Peter Parker Netze schwang, bevor der Hulk zuschlug, bevor es Deadpool, Wolverine, Wakanda, Mutanten, Infinity-Steine und filmische Universen gab – da waren sie, die „Core Four“. Man kann die Geschichte der Superheldencomics in ein Davor und Danach unterteilen, wenn es um die Schöpfung der Fantastic Four durch Stan Lee und Jack Kirby geht. Die Veröffentlichung der ersten Ausgabe im November 1961 markiert den Urknall des Marvel-Zeitalters. Die Geschichte war simpel: Vier Astronauten reisen ins All und kehren mit Superkräften zurück. Sie kämpfen gemeinsam gegen das Böse, weil sie einen moralischen Kern teilen. Und weil sie eine Familie sind, streiten sie, versöhnen sich und essen zusammen zu Abend – etwas, das anderen Supergruppen fehlte. Eine Revolution war geboren.
Die beste Adaption bisher – mit Abstrichen
Trotz ihrer Schlüsselrolle im Marvel-Kosmos hatten die Fantastic Four im Kino stets das Image einer Drittklassigkeit. Aufgrund einer derart komplizierten Rechte-Saga, dass selbst das wirre Multiversum des MCU dagegen simpel wirkt, wurden die Abenteuer des Quartetts bereits Grundlage mehrerer gescheiterter oder nie gestarteter Franchise-Versuche. Es gab drei (technisch gesehen vier) vorherige Leinwandversionen der FF – keine davon überzeugte wirklich.
Zu sagen, dass „Fantastic Four: First Steps“ die bislang beste Filmadaption von Mr. Fantastic, der Unsichtbaren, der menschlichen Fackel und dem Ding sei, bedeutet vor allem, dass man eine niedrige Messlatte überspringt. Das Worldbuilding rund um die Gruppe ist allerdings eine echte Leistung. Ob Hardcore-Fan oder Gelegenheitszuschauer – man ist beeindruckt von dem ringelnden, lebendigen New York, den kosmischen Welten à la Kirby und der Art, wie Regisseur Matt Shakman und sein Team die ersten fünf Jahre der Comicreihe mit fast unheimlicher Treue aufleben lassen. Ja, endlich haben wir ein „Four“, das der Blockbuster-Behandlung würdig ist. Nein, diese halbherzige Einführung ins MCU hebt den Fluch der bisherigen Leinwandabenteuer nicht vollständig auf.
Die Entscheidung, den Film in einem 1960er-Setting à la Kirby/Lee anzusiedeln, ist aus vielen Gründen ein Geniestreich. Langjährige Leser werden bei der originalgetreuen Nachstellung des ikonischen Covers der ersten Ausgabe jubeln. TCM-Fans werden das „Space-Age-Bachelor-Pad“-Design feiern, das Juan Esquivel zu Tränen rühren würde. Und MCU-Müde werden allein die visuelle Frische von „First Steps“ zu schätzen wissen. Shakman, verantwortlich für WandaVision – bis heute der TV-Höhepunkt von Marvel Studios – beweist erneut sein Talent für die detailgetreue Wiederbelebung vergangener Ästhetiken.
Alternate World, Retro-Charme und große Bedrohung
Hinzu kommt: Auch wenn klar ist, dass Reed Richards (Pedro Pascal), Sue Storm (Vanessa Kirby), Johnny Storm (Joseph Quinn) und Ben Grimm (Ebon Moss-Bachrach) irgendwann in Kevin Feiges Marvel-Operette mitmischen werden, spielt First Steps in einer alternativen Welt, in der die Fantastic Four die einzigen Superhelden sind. Die Origin-Story wird via Clip-Montage im Stil des Apollo-11-Countdowns abgehandelt, unterlegt mit Soundeffekten des Strahlungssturms, der sie transformiert.
Danach folgt eine Talkshow-Intro, die als Capsule History ihrer Heldentaten dient: der Kampf gegen den Mole Man (Paul Walter Hauser)! Der Sieg über die mutierten Affen des Red Ghost (leider ohne John Malkovich)! Diese Rückblenden richten sich an Fans der ersten Stunde, doch die jubelnden Kennedy-Ära-Massen stellen klar: Die Vier sind längst öffentliche Helden. Sie allein stehen zwischen Rettung und Untergang. Merkt euch das.
Vier Jahre Heldentum später folgt der Doppelschlag: Erst die frohe Botschaft – Reed und Sue erwarten ein Kind. Dann der Schock – aus dem Himmel erscheint eine geheimnisvolle Figur: Shalla-Bal (Julia Garner), besser bekannt als der Silver Surfer. In den Comics ein melancholischer Alien mit Weltraum-Surfbrett, hier eher das galaktische Prunkstück einer Motorhaube – doch der Job bleibt gleich: Sie kündigt an, dass die Erde bald vernichtet wird. Ihr Boss? Galactus (Ralph Ineson), ein gigantisches Wesen, das Planeten verschlingt. Schlechte Nachrichten.
Galactus bietet einen Deal an: Erde gegen Baby. Das ungeborene Kind sei „ein Wesen unendlicher Macht“. Kenner wissen Bescheid. Der Rest muss es einfach glauben. Die Antwort der Vier: nein. Dass sie das eine Leben dem Schicksal vieler vorziehen, macht sie daheim nicht gerade beliebt.
Galactus, Surfer, Franklin – viel auf einmal
Den Auftakt mit der legendären „Galactus-Trilogie“ zu gestalten, ist klug – sie kombiniert kosmischen Bombast mit emotionaler Tiefe, typisch für die besten FF-Comics, und bietet Gelegenheit für visuelle Spielereien à la Kirby. Gleichzeitig bringt sie zwei Fanlieblinge ins Spiel, die für die FF-Geschichte zentral sind. Dass diese Erzählung mit der Story um das Richards-Storm-Baby verknüpft wird – Franklin, wie er später heißt –, ist eine mutige Entscheidung. Sie macht das drohende Ende persönlicher, steigert das ohnehin hohe Risiko – und überfrachtet den Film zur Mitte hin deutlich. Sechs Drehbuchautoren versuchen gleichzeitig, das Erbe zu ehren, eine neue Franchise-Säule zu etablieren und das ganze Ding zum Krachen zu bringen.
Großartige Darsteller, zu wenig Fokus
Dabei hat „First Step“s das beste Ensemble, das sich Fans für die legendäre Superfamilie wünschen können. Vanessa Kirby glänzt mit den meisten emotionalen Szenen als Friedensstifterin und werdende Mutter. Die bekannten Kontraste – der dehnbare Reed als engstirniger Rationalist, das felsige Ben-Herz, die unsichtbare, doch mächtige Sue, der hitzköpfige Johnny – sind alle vorhanden.
Was fehlt, ist die zwischenmenschliche Dynamik, die die Comics prägte. Die Retro-Ästhetik dominiert so stark, dass die Figuren selbst fast zur Nebensache werden. Man erinnert sich an die schicken Sets, nicht an die Kämpfe. Und die Handlung rast so atemlos durch die Stationen, dass für echte Charakterentwicklung keine Zeit bleibt. Selbst zuhause unterbrechen Plotpoints und ein süßer Roboter namens Herbie jeden Dialog.
Stil über Substanz?
Wieder einmal hat man das Gefühl, einen „Fantastic Four“-Film zu sehen, der ihre Kräfte über ihre Persönlichkeiten stellt. Wieder einmal treten sie wie Nebenfiguren im eigenen Film auf. Und wieder einmal wird alles zum Aufbau des nächsten großen MCU-Kapitels. Die bedeutendere der zwei Post-Credit-Szenen deutet klar an, wohin es geht – und wen wir dort sehen. Sicher, bessere Abenteuer stehen bevor, und „First Steps“ ist der Anfang, die FF zu einem wichtigen Teil des MCU zu machen. Doch von „fantastisch“ zu sprechen, wäre übertrieben.