Mick Hucknall

Das letzte Album hieß „Stars“, Dein neues Opus hört auf den ebenso nichtssagenden Namen „Life“. Hat Mick Hucknall etwa inzwischen die Realität für sich entdeckt? Ich habe mit meinen Songs immer versucht, Stimmungen widerzugeben, die Manifestationen des Zeitgeistes einzufangen. Darüberhinaus fühle ich mich dem Alltag gegenüber in keiner Weise verantwortlich. Soziale Mißstände, Umwelt-Probleme, politische Statements – all das ist nicht mein Ding. Ich akzeptiere nur eine einzige Verantwortung: mit meinem Publikum zu kommunizieren. Wenn sich wildfremde Menschen bei dir bedanken, weil sie mit deiner Musik ihre Ehekrise überwunden haben, ist das ein unglaubliches Gefühl – festzustellen, daß man mit seiner Musik einen Menschen am anderen Ende der Welt berühren kann. Ist das für Dich also die Essenz von Popmusik? So sollte sie sein. Die gegenwärtige Essenz von Pop besteht hingegen eher darin, daß Musik immer mehr nach den Erwartungen und Wünschen des angepeilten Konsumenten designt wird. Bands werden heutzutage am grünen Tisch entworfen, bevor überhaupt eine Note gespielt ist. Bei mir verhält es sich genau umgekehrt. Spricht da der kompromißlose Künstler Hucknall? Exakt. Ich schreibe und singe ausschließlich für mich, für meine Seele. Nicht für meine Bank. Klingt ja verdammt idealistisch. Wie konnte es denn passieren, daß die britische Pop-Presse gerade Dir kommerzielle Anbiederung vorwirft? Aus irgend einer Ecke bekommt man immer Gegenwind. Manchmal sind schlechte Kritiken ja durchaus konstruktiv; dann denke ich schon darüber nach. Andererseits: Wenn ich mir die Reviews anschaue, die die Beatles zu ihrer Glanzzeit bekamen – die waren auch nicht besser. Musikjournalisten haben halt ein kurzes Gedächtnis – und so entwickeln sich die Mythen im Musikgeschäft. Wenn ich mich wirklich mal über eine Kritik ärgere, halte ich es mit Robert Plant. Der hat gesagt: „Wenn ich immer noch als ernstzunehmender Musiker respektiert werde, werden alle Musikjournalisten längst tot, beerdigt und vergessen sein.“ Mitte der siebziger Jahre hattest Du eine Punk-Band. Wie paßt das zusammen mit den stromlinienförmigen Simply Red von heute? Punk hat mir einfach deshalb gefallen, weil die Kids etwas taten, was ihre Eltern auf die Palme brachte. Alle Jugendbewegungen waren Bewegungen, auf die die Industrie nicht vorbereitet war, und genau das verbindet Rock’n’Roll mit Punk oder House. Wenn du sechzehn bist, Pickel hast und sich kein Mensch für dich interessiert: Was kümmert es dich, ob du ein Instrument beherrschst oder nicht? Für mich war die Punk-Ära zu Ende, als ich mit meiner Musik mehr ausdrücken wollte als bloß Wut. Aber eine Erfahrung ist geblieben: Ich habe als Punk Unabhängigkeit zu schätzen gelernt. Niemand kontrolliert mich als Musiker. Ich habe keinen A&R-Manager, ich allein mache die Platte – die Plattenfirma braucht sie bloß zu verkaufen. Man könnte fast meinen, hier spräche der beinharte Independent-Idealist. Oder gibt es überhaupt keine Unterschiede mehr zwischen Independents und Majors? Die Indie-Szene ist auf ihre Art genauso Establishment wie die Musik-Konzerne einmal abgesehen davon, daß die Independents unglaublich selbstgefällig auftreten. Was sich die Majors nie und nimmer erlauben könnten. Auf denen liegt auch ein ganz anderer wirtschaftlicher Druck. Und oft genug geht diese Selbstgefälligkeit nach hinten los: Es gibt diverse Independent-Bands, die machen belanglosen Krach – und niemand sagt ihnen, daß es nur Schrott ist. Auf dem neuen Album hast Du mit Sly und Robbie zusammengearbeitet. Was macht sie zur besten Rhythmus-Gruppe der Welt? Im Takt zu spielen – und gleichzeitig völlig relaxed zu klingen. Hast Du ein besonders enges Verhältnis zur „schwarzen“ Musik? Die „schwarze“ Musik hat in diesem Jahrhundert vermutlich genauso viel Bedeutung wie die französischen Maler im 19. Jahrhundert. Jeder weiße Musiker ist davon beeinflußt. So gesehen gibt es zwischen mir und der schwarzen Musik keine besondere Verbindung. Was ist für den Sänger wichtiger: die Bedeutung oder der Klang der Worte? Es ist die Mischung – und die Kunst, das, was man singt, mit Überzeugung singen zu können. Wie paßt das denn damit zusammen, daß Du Reggae-Fan bist? Die Texte in diesem Genre sind doch oft genug zum Einschlafen. Exakt, deshalb mag ich auch lieber Dub: Da nehmen sie die Stimmen gleich raus.

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