Pink Floyd

Unter dem Motto „Why Pink Floyd?“ hat eben die größte Archiv- und Werkschau-Aktion in der Geschichte dieser großen Band begonnen. Zur Feier: ein Gespräch mit Drummer Nick Mason und ein ganz spezieller Gang durch die Diskografie.

Mister Pink

Drummer Nick Mason über die Neu-Edition des Bandwerks, das Leben mit Pink Floyd – und die Chancen auf eine Reunion.

Pink-Floyd-Interviews führt man am liebsten mit Roger Waters oder David Gilmour. Aber Nick Mason? Der fühlte sich immer wohl in der zweiten Reihe und ließ sich öffentlich kaum zu pointierten Bemerkungen hinreißen. Wie im Floyd-Song „Time“: „Quiet reservation is the English way.“ Doch spätestens seit der Lektüre von Masons Buch „Inside Out“ weiß man: Die ausgewogenste Meinung zur Band bekommt man von dem Mann, der bei Pink Floyd immer zwischen den Stühlen saß. In London erklärte er uns die Reissue-Reihe „Why Pink Floyd?“. Und vieles mehr.

Mister Mason, im Sinne der Wiederveröffentlichungs-Kampagne gefragt: „Why Pink Floyd?“ Warum jetzt?

Das haben wir uns auch gefragt! Die treibende Kraft hinter den Reissues war unser Label, nicht die Band. Unsere Haltung war immer, dass wir die beste Version eines Albums ja bereits herausgebracht haben. Doch unsere Plattenfirma hat gute Erfahrungen mit dem Aufarbeiten des Beatles-Katalogs gemacht, und sie hat uns überzeugt, dass so etwas auch für uns interessant sein könnte.

Inwiefern?

Zum Beispiel insofern, dass wir jetzt technische Möglichkeiten haben, die es früher nicht gab. Nehmen Sie das 1975er-Wembley-Konzert. Da funktionierten die Schlagzeugmikrofone nicht richtig, die Aufnahmen waren kaum zu gebrauchen. Mit der heutigen Technik können wir die fehlenden Tom-Schläge einfügen und insgesamt den Sound erheblich verbessern.

Es geht bei diesen Boxen ja aber zuvorderst um neue Abmischungen und neues Mastering.

Ja, aber auch das gehört ja zu Pink Floyd: Wenn eine neue Technologie einen besseren Sound ermöglicht, wollten wir das immer nutzen. Sehen Sie, natürlich braucht kein Mensch bei Verstand eine Blu-ray-Disc und eine SA-CD in ein- und derselben Box. Aber es kostet nicht viel, deshalb haben wir es trotzdem so gemacht.

Man könnte das Ausschlachten der Archive auch so lesen, dass nun endgültig Schluss ist mit Pink Floyd.

So ist es nicht gemeint. Es gibt noch viele Demobänder aus den frühen Jahren, auf denen sich interessantes Material befindet. Und auch die späteren Alben geben einiges her. Zum Beispiel hatten wir im Zusammenhang mit „The Division Bell“ ein instrumentales Ambient-Album begonnen, das liegt noch herum.

Ich meinte eher: dass die Band Pink Floyd endgültig Geschichte ist.

Oh, das stimmt sicherlich. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es neue Musik von uns geben wird. Dafür müssten David und Roger zusammenarbeiten. Das halte sogar ich für fast unmöglich – und ich bin ja der Optimist der Band!

Sie und David Gilmour könnten ein Album machen.

Sollte David darauf Lust haben, bitte. Aber ich glaube, dass er sich mit seiner Rolle, seine Musik unter eigenem Namen im verhältnismäßig kleinen Rahmen zu spielen, wesentlich wohler fühlt. Für ihn waren diese riesigen Tourneen nach dem Ausstieg von Roger sehr anstrengend. Die gigantische Bühne, der ganze Aufwand, das macht alles viel Sorgen.

Ich dachte, gerade diese Tourneen hätten so viel Spaß gemacht …

Das haben sie auch, mir jedenfalls. Es war toll, so lange auf Tour zu sein. Früher waren es ja immer nur zwei oder drei Wochen – bevor wir richtig gut werden konnten, fuhren wir schon wieder nach Hause. Ein Jahr lang das Programm zu spielen und besser werden zu können, dafür war ich sehr dankbar.

Was ist für Sie die größte Entdeckung der Reissues?

Definitiv die Version von „Shine On You Crazy Diamond“ mit Stephane Grappelli (Jazz-Geiger, der 1975 zeitgleich mit Pink Floyd in den Abbey Road Studios arbeitete). Das Lied wurde im Lauf der Jahre pointierter – diese Entwicklung nimmt Grappelli gewissermaßen vorweg. Aber das haben wir damals nicht erkannt.

Eines der Sets enthält eine 1974 aufgenommene Live-Version von „Raving And Drooling“, das unter dem Namen „Sheep“ später auf „Animals“ erschien. Das gehörte damals zu Pink Floyd: Songs lange vor der Aufnahme live auszutesten.

Ja, und es war ein Fehler, mit dieser Gewohnheit aufzuhören. Wir hatten gegen Ende der Siebziger eine so panische Angst vor Bootlegs bekommen, dass wir live nur noch spielten, was es ohnehin schon gab. Aber es ist viel besser, seine Lieder vorher auszuprobieren. Ich habe beim Durchhören der Bänder auch frühe Versionen von „Dark Side“ gehört, die noch mit dem Song „Lunatic“ aufhörten. Wir spürten damals bei den Konzerten, dass das Ende nicht funktionierte, und Roger komponierte „Brain Damage“. So etwas kann kaum passieren, wenn man alles nur im Studio erarbeitet.

„Animals“ gilt oft als Ihr „Punk-Album“, weil es so schroff und industriell klingt. War das beabsichtigt?

Niemand hat gesagt: Lasst uns eine Punkplatte aufnehmen! Aber wir interessierten uns für die Kritik am Prog-Rock und wollten wohl etwas machen, das nicht 48 Spuren Overdubs hat. Unser neues Studio (Britannia Row in London-Islington) war bewusst sehr simpel aufgebaut, weil wir es ohne Toningenieure nutzen können wollten. Als Bob Ezrin mit der Arbeit an „The Wall“ begann, schmiss er erst mal das gesamte Equipment raus. Er hasste es.

Sie standen mit Roger Waters bei dessen aktueller „The Wall“-Aufführung auf der Bühne.

Ja, das war wunderbar. Es kam alles sehr kurzfristig zustande, weil keiner wusste, ob David es wirklich machen würde, und wenn ja, wo. Jedenfalls fuhren wir am Nachmittag hin, machten einen kurzen Soundcheck und gingen dann essen. Für mich war das toll: Ich musste ja nur ein bisschen so machen (spielt in der Luft Tamburin), genoss die Gastfreundschaft und konnte am Ende den Applaus einheimsen.

Kam Ihnen der Moment – David Gilmour oben auf der Mauer bei „Comfortably Numb“, Sie gemeinsam mit Waters davor – während der Show bedeutsam vor?

Nein, gar nicht. Mit fiel nur auf, wie angenehm normal es sich anfühlte, mit den beiden Musik zu machen.

Was bedeutete der Auftritt im Kontext von „Live8“ und den diversen anderen Zusammentreffen?

Er ist ein Teil im Gesamtbild unserer Versöhnung. Es war eine gute Gelegenheit, den Fans zu zeigen: Ja, wir hatten unsere Auseinandersetzungen, aber wir können noch gemeinsam auf einer Bühne stehen. Für mich ist wichtig, dass meine Kinder es gesehen haben. Die kennen Dave und Roger ihr Leben lang. Sie sollten sehen, dass wir zusammenarbeiten können, anstatt in der Zeitung zu lesen, wie sehr wir uns hassen.

Da wir gerade über die Jugend reden: Kürzlich wurde David Gilmours Stiefsohn wegen unflätigen Benehmens bei den Londoner Studentenunruhen zu 16 Monaten Haft verurteilt.

Ich war geschockt. Wir hatten eigentlich geglaubt, dass das britische Recht von Klassen nichts weiß und keine Exempel statuiert. Es ist natürlich keine gute Entschuldigung, zu sagen, man habe halt unter dem Einfluss von LSD gehandelt … Aber er hat ja niemandem körperlichen Schaden zugefügt. Es hätte jedes unserer Kinder treffen können – sie waren da draußen und haben protestiert, genau wie Charlie.

Junger Cambridge-Student macht Aufstand in London – kommt Ihnen das bekannt vor?

Ja, natürlich schließt sich da der Kreis. Aber wir waren damals nicht wirklich politisch, ich jedenfalls nicht. Ich war zwar mit Roger im CND (Campaign For Nuclear Disarm-ament, britische Antikriegsvereinigung), und Roger nahm an den Aldermaston Marches (Ostermärsche von Aldermaston nach London) teil. Ich bin immer erst am letzten Tag dazugestoßen. Ich war wohl eher ein Salonsozialist.

Auch ein anderer Kreis in der Geschichte von Pink Floyd hat sich geschlossen: 2008 ist Rick Wright gestorben.

Sein Tod hat die Pink-Floyd-Situation verändert, aber nicht zum Besseren. Es gibt ja diese nicht völlig falsche Vorstellung von den zwei Lagern in der Band: David und Richard waren in dieser Vorstellung die treibende Kraft hinter der Musik, Roger und ich die Verantwortlichen für Konzept und Realisierung. Zuletzt hatten David und Rick zusammengearbeitet, und sein Tod … Ich will nicht sagen, dass er David an den Rand drängt, aber ich bin vielleicht etwas besser mit Roger befreundet. Es entsteht ein Ungleichgewicht.

Auch Syd Barrett lebt ja nicht mehr. Ich versuche mir vorzustellen, wie das ist: Bandkollegen nach über 40 Jahren zu verlieren …

Was soll ich sagen? Ich frage mich ständig, was ich tun soll. Soll ich gesünder essen oder lieber harte Drogen nehmen – oder beides? Geben Sie mir einen Rat! Soll ich mich um mich selbst kümmern oder lieber verrückt werden? Das ist die Wahl, die ich jeden Tag zu treffen habe – Wahnsinn oder ein vegetarisches Sandwich.

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