Vor 60 Jahren ging das erste Piratenradio auf Sendung

Radio Caroline sendete ab dem 28. März 1964 von von einem umgebauten Fischkutter in der Nordsee.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Rundfunk noch ein neues Medium, das von Regierungen und staatlichen Behörden kontrolliert wurde. Das galt nicht nur für die Nationalsozialisten, die Radiowellen als Propagandainstrument ausnutzten. Radiosender wurden weltweit auch nach dem Zweiten Weltkrieg lizenziert und zum Teil unter staatlicher Aufsicht betrieben.

In den 1960er Jahren stellten sich diesem Verbot, frei zu senden, was man will, so genannte Piratensender entgegen. Diese Sender, die oft von Enthusiasten und Musikliebhabern betrieben wurden, brachten ihr Programm ohne Lizenz und außerhalb der staatlichen Kontrolle in die Welt. Sie spielten eine wichtige Rolle für die Entwicklung dessen, was man heute allgemein als Popkultur versteht, denn sie förderten intensiv jene Musik, die vor allem für Jugendliche gedacht war und nicht selten subversiv war. Natürlich wundert es kaum, dass Regierungen mit aller Macht dagegen vorgingen und versuchten, den Piratenradios den Garaus zu machen.

Den Startschuss für die Geschichte der Piratensender kann man ganz genau datieren. Sie begann am Karsamstag 1964, am 28. März, mit der Gründung von Radio Caroline durch den irischen Geschäftsmann und Plattenfirmenboss Ronan O’Rahilly. Er wollte damit das Monopol der staatlich kontrollierten Rundfunkanstalten in Großbritannien brechen und die Musik spielen, die ihn persönlich interessierte (und die er bei anderen Sendern wie der BBC oder Radio Luxemburg nicht unterbringen konnte).

Captain George Mackay und die Crew von radio Caroline
Captain George Mackay und die Crew von radio Caroline

Start von Radio Caroline auf hoher See

Radio Caroline startete seinen Betrieb von einem umgebauten Fischkutter namens „MV Fredericia“, der in den Gewässern vor der Küste von Essex in der Nordsee ankerte und unter panamaischer Flagge fuhr. Der Sender sendete auf einer Frequenz von 199 Metern und erreichte schnell ein breites Publikum – und das nicht nur in Großbritannien und Europa. Die Idee, vom Meer aus zu senden, stammte von Voice Of America. Auf offenen Gewässern gelten für Schiffe die Gesetze des Landes, für das sie fahren.

Chris Moore und Simon Dee begannen den Betrieb mit den Worten „This is Radio Caroline on 199, your all day music station!“. Der erste gespielte Song war einer der Rolling Stones und natürlich auch als Appell zu verstehen: „Not Fade Away“.

Jan Gunnarsson, Chief Engineer des Schiffs, von dem Radio Caroline sendete
Jan Gunnarsson, Chief Engineer des Schiffs, von dem Radio Caroline sendete

Radio Caroline wurde benannt nach der Tochter von John F. Kennedy, nachdem O’Rahilly ein Foto gesehen hatte, wo das kleine Mädchen den US-Präsidenten bei der Arbeit störte. Genau diesen anarchistischen Geist wollte der Ire für sein Piratenradio umsetzen, das schnell kultisch verehrt wurde und zu einem wichtigen Player in der britischen Radiolandschaft aufstieg. Konkurrenz gab es augenblicklich: Bereits am 12. Mai startete der australische Musikmanager Alan Crawford Radio Atlanta. Laut Mythos hatte sich O’Rahilly die Idee für seinen Piratensender bis hin zu den Details der Umsetzung auf einem Schiff bei seinem Kollegen, mit dem er bekannt war, abgeschaut. Er war, wie es manchmal in der Geschichte eben so ist, einfach etwas schneller.

Die Moderatoren von Radio Caroline entwickelten einen eigenen Stil, der Sender spielte eine breite Palette von Musikgenres, darunter Rock, Pop, Blues und Soul. Musik, die von den staatlich kontrollierten Rundfunkanstalten oft vernachlässigt wurden. Womöglich auch, weil sie der Veränderung der Musiklandschaft hinterherhinkten oder Popmusik im Generellen nicht ernst nahmen. Radio Caroline wurde zur Stimme einer neuen Generation.

Alan Turner - verantwortlich für die Koordination des "Radio Caroline"-Schiffs
Alan Turner – verantwortlich für die Koordination des „Radio Caroline“-Schiffs

Trotz des erstaunlichen Erfolgs sah sich der Sender stets existenziell bedroht. Natürlich wurden die Betreiber von staatlichen Behörden drangsaliert. Der Sender musste sich mit Geldstrafen, Gerichtsverfahren und technische Störungen durch staatliche Rundfunksender auseinandersetzen. Auch deswegen wechselte man mehrmals Schiff und Standort, um die Ausstrahlung zu gewährleisten.

Finanzielle Probleme

Trotz all der Maßnahmen ließ man Radio Caroline und all die anderen Piratenradios, die folgten, weitestgehend gewähren. Das änderte sich in den 70er-Jahren, als Gesetze und Vorschriften den Betrieb von nicht lizenzierten Radiosendern im Grunde verboten.

Doch dies war gar nicht mehr so sehr das Problem, denn Radio Caroline geriet vor allem in finanzielle Schwierigkeiten, auch aufgrund zahlreicher Klagen, mit denen sich die Betreiber auseinandersetzen mussten. 1990 stellte man vorübergehend den Sendebetrieb ein. Dennoch hat der Piratensender bis heute überlebt, sendet legal, und wird vor allem von Musikenthusiasten weiter gehört. Der Betrieb auf See ist allerdings schon lange nicht mehr nötig. Denn der Sender ist längst auch über das Internet zu empfangen, während sein Erbe als Pionier des unabhängigen Radios bestehen bleibt.

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