RS-Analyse

„Radio Rammstein“ spielt nostalgische Satire (und ist doch subversiv)

Das Musikvideo des zweiten Songs aus ihrem neuen Album ist eine satirische Verbeugung vor der Vergangenheit, in der heimliches Radiohören eine freiheitliche Handlung war.

In ihrem neuen Musikvideo zum Song „Radio“ lassen Rammstein den großen Eklat aus, zitieren dafür Kraftwerk, die deutsche Vergangenheit und ihre eigene Geschichte – natürlich nicht ganz ohne Provokation.

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„So höre ich, was ich nicht seh‘ / Stille heimlich fernes Weh“ – wenn es damals aus dem Weltempfänger tönte, war zumindest für diesen kurzen Moment ein Akt der Freiheit hergestellt. Rammstein besingen in ihrem neuen Song „Radio“ auch die eigene Vergangenheit – die Bandmitglieder sind in der DDR geboren.

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Musikalisch ist „Radio“ Pop, der sich in erster Linie vor den Elektro-Pionieren Kraftwerk und ihrem eigenen Song „Radioaktivität“ von 1975 verbeugt. Und die Gesangslinie des Refrains verleitet zum Mitsingen – wie im Radio eben.

Rammstein sind nicht greifbar – gleichzeitig analog und digital

Eindeutig zweideutig ist die (deutsche) Geschichte im Video dargestellt, das lässt Interpretationsspielraum offen. Die Band um Till Lindemann tritt in einem leeren Funkhaus auf und sendet ihren Hit per Volksempfänger in die Welt hinaus. Der Saal wird von Soldaten gestürmt, die der eingängige Song letztlich auch zum Choreografie-Tanz verleitet.

Rammstein als Kraftwerk-Verschnitt: Szene aus dem Musikvideo zu „Radio“
Rammstein als Kraftwerk-Verschnitt: Szene aus dem Musikvideo zu „Radio“

Zwischendurch immer wieder Rammstein in roboterartiger Kraftwerk-Manier als digitale Projektionsfläche, die in die Geschichte eingreift, aber haptisch nicht greifbar ist.

Ergänzt wird das in schwarz-weiß-gehaltene Video durch Rammstein-typische Provokation mit Bildern von Nonnen, die sich vor dem Radio selbst auspeitschen, Müttern, die dem Empfänger die Brust geben und Hausfrauen, die den Funkkasten als Sexspielzeug zur Selbstbefriedigung zweckentfremden.

Frauen-Aktivistinnen – eine „Femen“-artige Bewegung – geht mit „Radio für alle“-Schildern auf die Straße und stürmt die Elektronikläden. Der Song ist schräge Satire, die der Gesellschaft den Spiegel bzw. das Radio vorhält. Und auch eine Abrechnung mit Diktaturen wie der DDR. Hier diente das Radio als Schaltstation, mit der man all das hören konnte, was im eigenen Land verboten ist.

Rammstein: Lyrics zu „Radio“

[Strophe 1]
Wir durften nicht dazugehören
Nichts sehen, reden oder hören
Doch jede Nacht für ein, zwei Stunden
Bin ich dieser Welt entschwunden
Jede Nacht ein bisschen froh
Mein Ohr ganz nah am Weltempfänger

[Refrain]
Radio, mein Radio
Ich lass‘ mich in den Äther saugen
Meine Ohren werden Augen
Radio, mein Radio
So höre ich, was ich nicht seh‘
Stille heimlich fernes Weh

[Strophe 2]
Wir durften nicht dazugehören
Nichts sehen, reden oder stören
Jedes Liedgut war verboten
So gefährlich fremde Noten
Doch jede Nacht ein wenig froh
Mein Ohr ganz nah am Weltempfänger

[Refrain]
Radio, mein Radio
Ich lass‘ mich in den Äther saugen
Meine Ohren werden Augen
Radio, mein Radio (mein Radio)
So höre ich, was ich nicht seh‘
Stille heimlich fernes Weh

[Bridge]
Jede Nacht ich heimlich stieg
Auf den Rücken der Musik
Leg‘ die Ohren an die Schwingen
Leise in die Hände singen
Jede Nacht und wieder flieg‘
Ich einfach fort mit der Musik
Schwebe so durch helle Räume
Keine Grenzen, keine Zäune

[Interlude]
Radio, Radio
Radio, Radio

[Refrain]
Radio, mein Radio (mein Radio)
Ich lass‘ mich in den Äther saugen
Meine Ohren werden Augen
Radio, mein Radio (mein Radio)
So höre ich, was ich nicht seh‘
Stille heimlich fernes Weh

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