Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe: „Habe überlegt, mit der Musik aufzuhören“

Musiker Richard Kruspe veröffentlicht eine neue Platte mit seiner Band Emigrate. Im Interview spricht er über das Album, Rammstein, Corona und Depressionen.

In einem Interview äußert sich Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe ausführlich über Depressionen, die ihn beinahe veranlasst hätten, das Musikmachen aufzugeben. Die pandemiebedingten Tour-Verschiebungen hat er indes genutzt, um das mittlerweile vierte Studioalbum mit seiner Band Emigrate aufzunehmen.

Mehr zum Thema
Emigrate mit Richard Kruspe kündigen „The Persistence of Memory“ an

In einem ausführlichen Interview mit web.de auf die Frage angesprochen, ob Kruspe jemand sei, der eher die Auszeiten zwischen den Touren genieße oder jemand, der sofort wieder auf die Bühne möchte, überraschte der Rammstein-Gitarrist mit der Aussage, zwischendurch sogar über ein vorzeitiges Karriereende als Berufsmusiker nachgedacht zu haben.

„Ehrlich gesagt hatte ich mich schon vor Corona in Isolation begeben, nach der letzten Rammstein-Tournee. Das war vielleicht die größte Tour in unserer Band-Geschichte und als ich anschließend nach Hause kam, bin ich erstmal in ein tiefes Loch gefallen. Ich habe mich zurückgezogen, habe zwischendurch auch überlegt, mit der Musik aufzuhören, weil ich darin keinen Sinn mehr gesehen habe. So eine Depression erlebt man natürlich nicht gerne und wenn man sich keine Hilfe von außen holt, muss man sich extrem stark selbst reflektieren können.“

Um sich zurückzukämpfen, musste sich der Emigrate-Gründer tief in die Zeit zurückversetzen, in der er sein Bandprojekt neben Rammstein startete. „Die Beschäftigung damit hat mir neuen Mut gegeben und ich habe wieder die Lust gespürt, ins Studio zu gehen“, so der Sänger und Gitarrist über seine innere Auseinandersetzung mit sich selbst.

Neues Emigrate-Album: „The Persistence of Memory“

Das neue Album „The Persistence of Memory“, erscheint Freitag, den 12. November 2021. Das vierte Studioalbum der Band beinhaltet neun Tracks. Die erste Single „Freeze My Mind“ wurde bereits vorab veröffentlicht. Sie ist die erste Veröffentlichung von Emigrate seit drei Jahren. Musikalisch bewegt sich die neue Musik in Richtung Industrial-Rock mit elektronischen Elementen.

Instagram Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Instagram
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Interessanterweise schrieb Kruspe den Song laut eigenen Angaben bereits 2001. Auch die anderen Songs auf „The Persistence of Memory“ entstanden zwischen 2001 und 2018. Kruspe über den Aufnahme-Prozess: „Ja, die Songs waren bereits geschrieben, ich habe sie aber stellenweise neu arrangiert, zum Teil Texte verändert und dann alle neu eingespielt und eingesungen.“

Album erscheint nicht bei Major Label

Über den Vertrieb seiner Alben über große Major-Labels fand Kruspe indes kritische Worte. So beschrieb er die Zusammenarbeit mit kleineren Labels als deutlich spannender und inspirierender, während er die Zeit der Großlabels als abgelaufen ansieht. „Da gab es so viel Uninspiriertheit, dass ich manchmal dachte: Das darf doch nicht wahr sein! Vieles wird einfach nur wiederholt, weil es in der Vergangenheit ja auch funktioniert hat, man geht auf Nummer sicher. Wo ich mich dann frage: Wo sind eure neuen Ideen? Ich glaube, dass die Zeit der großen Plattenfirmen vorbei ist. Das war sie eigentlich schon, als sie es zur Zeit von Napster nicht geschafft haben, ihren Platz im Business zu verteidigen.“

Rammstein-Sänger Till Lindemann ist erneut auf einem Song zu hören. Nicht zum ersten Mal trat er auch auf vergangenen Emigrate-Alben bereits als Feature-Gast in Erscheinung. Er singt auf dem Song „Always On My Mind“. Trotz der erneuten Zusammenarbeit mit einem Rammstein-Kollegen, würde Kruspe seine eigenen Arbeiten jedoch keinem Rammstein-Mitglied vorab zum Testhören überlassen. Auf die entsprechende Nachfrage antwortete er lachend: „Nein, auf gar keinen Fall. Wobei jemand wie Flake (Rammstein-Keyboarder) demgegenüber wahrscheinlich sehr offen wäre. Wir haben viel Respekt voreinander und sind in einem regen Austausch. Ich höre zum Beispiel regelmäßig seine Radiosendung.“

Emigrate bleibt ein reines Studio-Projekt

Bei Emigrate handelt es sich um ein reines Studio-Projekt, es werden also keine Live-Auftritte oder ähnliches gespielt, nur Alben und Singles produziert. Durch Rammstein sehe Kruspe da aber kein Versäumnis, da er mit der Welt des Live-Spielens dort bereits zu genüge ausgelastet sei. Allgemein empfinde er mehr Freude am kreativen Entstehungsprozess. „Konzerte zu spielen, ist sicher ein Teil meines Berufs, aber nur ein kleiner. Dieses Gefühl, ich muss mich auf der Bühne darstellen, das hatte ich nie. Für mich war der Moment des Entstehens immer interessanter, der kreative Prozess.“, so Kruspe.

Auch auf einen Zwischenfall, in dem ein russischer Politiker verhaftet wurde, kam Kruspe zu sprechen. Der Nawalny-Mitstreiter Andrej Borowikow wurde zu zweieinhalb Jahren in einem russischen Arbeitslager verurteilt, nachdem er die Rammstein-Single „Pussy“ aus dem Jahr 2009 öffentlich geteilt hatte. Hierbei verspürte Kruspe eine starke Ungerechtigkeit, wie er sagte, sodass er sich öffentlich via Instagram solidarisierte.

Instagram Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Instagram
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Laut Kruspe seien russische Repressionen mit denen der DDR vergleichbar

Die Repressionen der russischen Regierung seien dabei mit denen der DDR, in der Kruspe aufgewachsen war, vergleichbar. Dazu fügte er hinzu: „Wir sind aufgewachsen mit dieser wahnsinnigen Form von Ungerechtigkeit, in der Form, dass man sich verstellt, sich versteckt, den Mund nicht aufmacht, weil man Angst hat, bestraft zu werden.“ Und es blieb politisch: Gegen Ende des Interviews offenbarte Kruspe, dass er sich große Sorgen um eine fortwährende Spaltung der Gesellschaft mache. Er forderte dabei, dass man auch unliebsame Meinungen zunächst anhören solle und unterstrich dabei die besondere Rolle der Meinungsfreiheit.

Weiter sagte er aus, dass er befürchte, dass die deutsche Gesellschaft in zehn bis 15 Jahren ähnlich stark gespalten sein könnte, wie die US-amerikanische Gesellschaft. Kruspe forderte: „Wenn ich mir anschaue, was dort passiert, wie Menschen gegeneinander aufgehetzt werden, das ist eigentlich das Schlimmste, was passieren kann, so eine Entwicklung müssen wir verhindern.“ Kruspe lebte zwischenzeitlich elf Jahre in den USA.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates