2,5 High Llamas
In den mittleren bis späten Neunzigern galten Bands wie Stereolab, Combustible Edison und Sean O’Hagans High Llamas als hippe Apologeten eines Retro-Futurismus, der die Zukunft wie ein Best-Of der Vergangenheit klingen ließ: Man nahm eine tüchtige Portion Brian Wilson, gab etwas Esquivel und Jobim dazu, ließ gelegentlich ein paar antike Synthesizer rülpsen und orientierte sich beim Songwriting an den dezenteren Pop-Bands der Sechziger. Nun brauchte man nur noch ein paar Möbel von Verner Panton, ein paar Girls, die so aussahen, als hätte F.C. Gundlach sie gerne fotografiert, und die Easy-Swinging-Cocktail-Party konnte starten.
Natürlich war das hübsche Musik, die wir gerne gehört haben. Zum Abendessen, wenn Freunde kamen. Oder an einem verregneten Sonntag im März.
„Hawaii“, die ganz große Beach Boys-Hommage von Sean O’Hagans Truppe, ist auch heute noch ein Klassiker. Und um ehrlich zu sein: „Can Cladders“, drei Jahre nach „Beet, Maize &“ Corn“das erste Lebenszeichen der Llamas, tönt ebenfalls auf allerhöchstem Niveau. Aber warum dann so zaghaft, mag sich der Leser fragen. Weil das alles zu sehr nach Kunsthandwerk klingt, nach dem coolen Wissen eines Pop-Professors, der seinen Vorbildern tormal nacheifert, deren Originalität allerdings selten erreicht.
Talent bei den Arrangements ist allerdings ebenso reichlich vorhanden wie gut ausgebildete Musiker: Streicher, Backing-Chor, Harfenistin, Klarinettist, dazu die sechsköptige Band. Doch schon der erste Song, „The Old Springtown“, klingt so sehr nach „Snme“-meets-ARD-Nachtprogramm-der-frühen-Siebziger, dass einem davon fast schwindelig wird. Was wurde eigentlich aus dem Günther-Kallmann-Chor? „Winter’s Day“ ist noch näher dran am Über-Idol Wilson. Das Piano verschmilzt mit einem kratzenden Banjo, der Chor klingt diesmal allerdings mehr nach The 5th Dimension, und das Schlagzeug wird in bester Motown-Manier geschlagen.
Natürlich könnte man die Beschreibungen der detailverliebten Songs endlos weitertreiben, hier gibt es schließlich einen ganzen Ausflugsdampfer voller Verweise und musikalischer Fußnoten. Aber wozu? Gute Songs und Melodien findet man genauso wenig wie Leidenschaft, Hingabe und zeitgenössische Relevanz. Sehen wir „Can Cladders“ also einfach als einen angenehmen, überflüssigen Luxus. Musik, um den Eiswürfeln beim Schmelzen zuzusehen. Am besten in einem Panton-Chair. (DRAG CITY/ NTT)