45 RPM von Wolfgang Doebeling :: von Wolfgang Doebeling

Für gewöhnlich sind Remixe überflüssige Übungen. Entweder wird die musikalische Vorlage Groove-lastig zerdehnt oder mit elektronischem Ballast in die Knie gezwungen. Es geht aber auch anders. Den seltenen Beweis für einen gelungenen Remix liefern ausgerechnet die PET SHOP BOYS mit ihrem Mix von DAVID BOWlE´s „Hello Spaceboy“ (RCA). Dessen Album „Outside“ ist der Stoff, aus dem allenfalls makabre Computerspiele gemacht werden oder Splattermovies. Zum Audio-Abenteuer taugt die LP nicht, mangels Melodien. Genau da setzen die Pet Shop Boys an. Das bißchen Tune wird extrapoliert, beschleunigt und in Stromlinienform gebracht mittels ihrer patentierten Frischwärts-Sound-Kanonade, und Neil Tennant gibt einen mustergültigen Major Tom ab. Das ergibt noch kein „Space Oddity“, jedoch viel Space und hinreichend Oddity. Clearasil-Pop, aber: it works. 3,0

Erfreuliche Fortschritte machen auch die BEATLES. Wieder singt das verblichene Bandmitglied, und abermals so, als ginge es darum, die Pilotstimme für eine Demo-Aufnahme zu liefern. Doch diesmal springt Beatle Paul mit Unisono-Gesang in die Bresche. Jeff Lynne spart nicht mit Kleister aus der Klaviatur – und „Real Love“ (Parlophone/EMI) entpuppt sich als würdigeres Vehikel für die Fab Four als das lendenlahme „Free As A Bird“. Selbst Lennon hatte den Song einst noch nicht ad acta gelegt „The sound you make is muzak to my ears“, sang er vor einem Vierteljahrhundert an die Adresse McCartneys. Und so nett „Real Love“ ist, es wäre wohl kein Anlaß, dieses vernichtende Verdikt zu revidieren oder auch nur zu relativieren. 2,5

OASIS sind beileibe nicht die besseren Beatles, aber „Don’t Look Back In Anger“ (Creation/Sony) ist dennoch die beste Beatles-Single seit „Get Back“. Mindestens. „Wonderwall“ eingeschlossen. Melodisch unverschämt klischeehaft und absolut unwiderstehlich, versöhnt „Anger“ die Ironie von „The Bailad Of John & Yoko“ mit der Sacharin-Süße von „Penny Lane“, immer hart an der Grenze zur Sixties-Karikatur, diese aber nie überschreitend. Große Popmusik, selbstbewußt und selbstverliebt „So I start a revolution from my bed“, singt Noel, wo Lennon womöglich „from my head“ getextet hätte. Dabei ist seine Stimme nicht zu Säure-Attacken fähig wie die von Brüderchen Liam, ist mehr Paul als John, mehr Sahne als Senf, was der Song dank seiner perfekten Balance jedoch mühelos aushält. Paul Weiler hält ihn gar für den vollkommensten der 90er Jahre. Das ist übertrieben. 4,5

Im direkten Vergleich mit Oasis sind BLUR diesmal noch chancenloser als sonst, obgleich sie mit „Stereotypes“ (Food/EMI) auf eine live-erprobte, unter Blur-Fans überaus beliebte Nummer setzen und mit rosarotem Vinyl und einem aufwendigen Foldout-Sleeve viel fürs Auge tun. Fürs Ohr bietet die aktuelle Blur-45 mit ihrer etwas verquälten Melodieführung indes nur mäßigen Genuß. XTC für Arme, hat ein britischer Kollege geurteilt. Auch das ist übertrieben. 3,0

THE MELONS sind ein Mädchen-Duo aus dem Vereinigten Königreich und außerdem erfolgreiche Absolventinnen der Dolly-Mixture-Schule für sanft-melodischen, extrem charmanten, lieblich gesungenen, einfältigen und leidlich gespielten Schrammel-Pop. „From Hell To Helsinki“ (Damaged Goods) verrät keinerlei musikalische Ambitionen und ist einfach nur lukullisch. 4,0

Letzteres gibt auch für die vier Tracks der Debüt-EP (Magical Jack) von CARRIE, einem Berliner Quartett, das wohl auch mit dem Charme von Girlie-Vocals wuchert, dessen musikalische Wurzeln aber ungleich tiefer reichen als die der Melons. Hier wird der Geist von 1967 beschworen, eher freundlich-folkrockig als experimentell, und besonders auf dem Nashville Teens-Cover „Widdiecombe Fair“ mit viel Gefühl für Details. Die Strawbs mit Sandy Denny und die ganz frühen Fairport Convention müssen hier Pate gestanden haben. Wenn das keine Empfehlung ist. 3,5

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