ALTERNATIVEN

Wer Corin Tucker als Frontfrau von Sleater Kinney im Ohr hat, darf sich darüber freuen, daß die talentierte Dame jetzt mit einer weiteren Band an den Start geht. Bei CADALLACA teilt sie sich den Gesang mit Sarah Dougher, welche auch die Farfisa-Orgel bedient. Damit hören die Unterschiede nicht auf, denn auch das Songmaterial auf „Introducing,..“ (K/-Cargo) geht in eine ganz andere Richtung: Tuckers markante Stimme bleibt zwar unverkennbar, aber daß sie auch in einem überwiegend folkig-melodischen Pop-Kontext funktioniert, hätte wohl kein S-K-Hörer vermutet. Man fühlt sich an die Raincoats erinnert und darf sich an zehn recht schwermütigen Liebesliedern erfreuen und an einer Sorte Glam, die dem ’66er Cadillac Eldorado auf dem Cover gar nicht fernliegt. 4,0

Ein Hauch von Glam ist auch bei der englischen Band MAGOO zu spüren. Nicht daß hier der neue Britpop-Hype bevorstünde – dafür klingt „Vote The Pacifist Ticket Today“ (Chemikal Underground/EFA) viel zu eigenwillig im Umgang mit dem, was die englische Popkultur in den letzten zehn Jahren hervorgebracht hat. Es beginnt damit, daß man immer meint, eine Sängerin zu hören, obwohl die Band rein männlich besetzt ist. Dann lösen sich packende Popsongs plötzlich im Nebel auf. Man denkt an die wechselhafte Geschichte von My Bloody Valentine oder daran, wie die letzte Jesus & Mary Chain hätte klingen müssen. Dies alles zusammengenommen ergibt eine grandiose Platte. 4,0

Aus dem Umfeld der belgischen Kult-Combo dEUS kommen LIONELL HORROWITZ & HIS COMBO mit einer CD, die man als im besten Sinne unterhaltsam bezeichnen kann. „Au Bain Marie“ (Heavenhotel/Cargo) ist eine kuriose Mischung aus gepflegtem Lounge-Jazz, Filmmusik, Pop mit Hörspieleffekten und Avantgarde der New Yorker Schule. Dazu spielt das Septett wunderbar und reiht konzentriert Idee an Idee, so daß die gut 50 Minuten Spielzeit wie im Fluge vergehen. 4,0

Kleine Vorweihnachtsfreude für Fans australischer Rock-Spielweisen: Das legendäre Chadal-Label hat endlich auch hierzulande wieder einen Vertrieb. New Music (Ausschläger Weg 88, 20537 Hamburg) sorgt ab sofort dafür, daß bei folgenden Neuheiten die Importzuschläge wegfallen. Zur Geschichte: Citadel entstand im Umfeld von Radio Birdman, Australiens wohl einflußreichster Punkband der Endsiebziger. Diese taten sich 1996 für eine Reunion-Tour erneut zusammen, doch im Gegensatz zu den Sex Pistols spielten sie auch neue Songs und luden darüberhinaus eine Handvoll Fans ins Studio ein, um ihrer Radio-Session beizuwohnen. Unter dem Titel „Ritualism“ ist nun ein (leicht gekürzter) Mitschnitt erschienen, der keinerlei Alterschwäche verrät. (3,0) Was auch daran liegen mag, daß die beteiligten Musiker durchweg noch aktiv sind. Da wäre z. B. Sänger Rob Younger, der mit seinen New Christs, der als lebende Rocklegende Australiens auf „Lower Yourself“ zwölf Emo-Kracher in genau dem Stil abliefert, den seine Fans an ihm immer geliebt haben: entweder Stooges und MC 5 oder gar nichts. 3,0

Auch DENIZ TEK war Gründungsmitglied von Radio Birdman, hat sich jedoch auf „Equinox“ ein gutes Stück von diesen Roots fortentwickelt Heute im US-Bundesstaat Montana ansässig, zelebriert der Sänger und Gitarrist hier seinen eigenen, fast surrealistischen Stil, jedoch ohne dabei die Basis von Blues und Rock zu verlassen. Zuerst kommt eine türkische Saz zum Einsatz, dann fiepen seltsame Soundeffekte durch die Landschaft, und seit Bassist Todd Eagle als Co-Writer mitwirken darf, sind auch die Stilbrüche („Moon“) nicht länger tabu. 3,5

Nicht ganz so lang im Geschäft ist das Sydney-Trio KNIEVEL. Doch nachdem sie mit ein paar Radio-Hits am südlichen Wendekreis für Furore sorgten, ist dem zweiten Album „Steep Hill Climb“ immer noch anzumerken, daß die Bandmitglieder andere Projekte lange Zeit wichtiger genommen haben als ihre Charts-Karriere. Zweifelsohne ein edler Zug, nur tut die Band sich nunmehr schwer, eigenes Profil zu entwickeln. So gut ihre Songs sein mögen – allzu oft bleiben sie im magischen Vieleck amerikanischer Erfolgsbands (R.E.M., Wilco, Smashing Pumpkins) stecken. Damit kann man bekanntlich nicht verlieren, und wer den Sound liebt, wird in jedem Fall gut bedient. 3,0

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