Brandi Carlile

„Returning To Myself“

Universal (VÖ: 24.10.)

Die bislang intimste Platte der großen Songschreiberin.

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Dass uns Brandi Carlile in diesem Jahr bewiesen hat, dass die Kooperation mit einem Idol kein peinlicher Kniefall sein muss, wäre schon Leistung genug gewesen. „Who Believes In Angels?“ ist so viel mehr als eine typische Duettplatte, aber sie enthält trotz einiger kompositorischen Ergänzungen vor allem Elton-John-Songs, zu denen Carlile sehr gut singt. Das volle Spektrum ihrer Talente konnte sie an der Seite von Captain Fantastic nicht abrufen. „Returning To Myself“ wirkt daher gleich in doppelter Hinsicht wie eine Rückbesinnung auf eigene Stärken.

So tief hat uns diese Songschreiberin bislang noch nicht in ihr Herz schauen lassen

Die Kunst, die Carlile wie keine andere Künstlerin ihrer Generation beherrscht, besteht darin, klassisches Songwriting in moderne Klanggewänder zu kleiden. Deshalb wird sie von Miranda-Lambert-Fans ebenso gemocht wie von grauhaarigen Männern in Pavement-T-Shirts. Mit dem im besten Sinne formatradiotauglichen „Human“ fliegt sie nur eine Mainstream-Ebene unter Taylor Swift. Premium-Country Pop-Hymnen solcher Art mögen manchen zu glatt poliert sein, aber Carliles wahrhaftiges Pathos rührt noch den griesgrämigsten Alt-Hippie. Außerdem kann sie ja auch die R&B-Sirene in der Tradition von Minnie Riperton bis Solange („A Woman Oversees“) und die berückende Folk-Elegie im Stil der frühen Joni Mitchell („Anniversary“).

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Letzterer huldigt sie noch einmal ganz unverhohlen in „Joni“ samt „Hejira“-Klarinette und Jaco-Pastorius-Gedächtnisbass. Noch verblüffender: Das furios wütende, rauschhaft rockende „Church & State“ ist der beste U2– Song, den diese seit zwanzig Jahren nicht gebacken kriegen. Der Titel der Platte klingt wie ein Bestseller aus dem Ratgeber-Regal vom Bahnhofskiosk, aber er trifft den Kern der Lieder. So tief hat uns diese Songschreiberin bislang noch nicht in ihr Herz schauen lassen.

Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 11/2025.