Cass McCombs – Dropping The Writ :: Manierliche Folk-Pop-Stilübungen. nicht mehr allzu interessant

Der Mann macht(e) sich gern interessant. Er sei, ließ Cass McCombs mal in einer Biografie verlauten, „in der Bronx, Haiti und Tahiti“ geboren. Und die Texte zum ersten Album „A“ gab’s 2003 nur nach Versand eines frankierten Rückumschlags. So als hätten wir gerade mal 1977. Als McCombs tatsächlich geboren wurde. In Kalifornien.

Dorthin kehrte der sonst gern dauerreisende Songschreiber vorübergehend zurück, um „Dropping The Writ“ einzuspielen. Der Titel des Albums bezieht sich auf das Prozedere, mit dem ein Regierungschef beim Staatsoberhaupt die Auflösung des Parlaments verlangenkann. Das riecht nach Neubeginn. Und als wolle er die Verwirr-und Vexierspiele der Vergangenheit zumindest vergessen machen, singt McCombs zum Auftakt in ebenso entwaffnender wie autobiografischer Schlichtheit: „I was born in a hospital…“ Das Stück heißt „Lionkiller“, es treibt und drängt und rumort und tut die ganze Zeit so, als könnte es jederzeit noch ein schwarzes Schaf aus dem Hut zaubern. Bis irgendwann klar wird, dass das Stück selbst schon das schwarze Schaf gewesen ist. Weil es zwar auch die ziemlich unsterbliche Zeile „stick a needle into my eye, I’m middle class until the day I die“ birgt, aber sonst nur in die Irre führt.

Denn der Rest von „Dropping The Writ“ erschöpft sich in manierlich-manierierten Folk-Pop-Stilübungen (im weiteren Sinne). McCombs ist als Songwriter zu talentiert, um daraus nicht auch erhebende Momente entwickeln zu können. Die fernöstlich oszillierende Wüstenfantasie „Deseret“ gehört unbedingt dazu, der melodische Zauber von „Full Moon Or Infinity“ und „Windfair, auch die gekünstelte Eruption von „Petrified Forest“ und vielleicht noch der kleine Ich-möcht-sogern-ein-Hit-sein-Hit „That’s That“. Und natürlich kann sich Cass McCombs nicht nur hier auf seine Falsetto-Künste verlassen. Aber manchmal verlässt er sich auch nur auf seine nicht nur affektierte Stimme und auf das, was (diese Seite von) Kalifornien bei seiner Rückkehr mit ihm gemacht hat.

McCombs, so ist zu hören, lebt inzwischen in Chicago. Möglicherweise eine gute Nachricht für einen Mann, der ein bisschen weniger interessant geworden ist, als er sich selbst oft gemacht hat.

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