Das Auge Gottes: Nicht nach vorn, nicht zurück

Was Das Auge Gottes zu sagen haben, sagen sie mit unverstellter Wucht. Auf dem Cover eine schmucklose, wenig appetitliche Speckseite: „Das kleine Leben“. Kapiert: Die kommen aus dem Osten, aus Schwerin, und auf Zierat legen sie keinen Wert. Das Stück Speck ist keine vorteilhafte corporate identity, und die Texte von Gerd Reichelt, den sie knorrig „Eiche“ nennen, haben nichts Modisches und nichts Geschmeidiges.

Folglich war das zweite Album der Band, als es im letzten Jahr veröffentlicht wurde, eher ein Absacker. Die Fachpresse knarzig bis mißvergnügt, das Publikum irritiert und skeptisch. In dieser Zeitschrift eine kleine Lobrede. Ansonsten: immer unterwegs, ein paarmal im Fernsehen aufgetreten, derweil immer besser geworden. Ochsentour.

Das Auge Gottes, sechs Musiker mit denkbar unterschiedlichen DDR-Biographien und krummen Nischen-Existenzen, biedern sich bei Ostlern und Westlern gleichermaßen entschieden nicht an. Hüben attackieren sie verschwiemeltes Selbstmitleid und blöde Konsumhoffnung, drüben stiefeln sie ungerührt in extra uncoolen WinterJacken und den Reklame-Hemden der eigenen Band in gediegene Szene-Kneipen. Zwischen Interviews gibt es schon mal einen Schluck Whisky aus der Buddel. Attitüde ist ihnen fremd wie nichts, Integrität integriert.

In seiner Musik wagt das Ensemble einen kühnen Crossover von Punk über Rap zum Pop samt Scratch-Einlagen. Es funktioniert trotzdem. In dem Song „Kleines Lied“, zugleich die neue Single, summiert Gerd Reichelt die frustrierenden Lebenserfahrungen am äußeren Rande des gesellschaftlichen Geschehens: „Und ich blicke nicht nach vorn/ Und ich schaue nicht zurück.“ Keine Resignation: ein Rezept für das kleine Leben und vielleicht eines für das kleine Glück.

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