Depeche Mode

Black Celebration

Vor 31 Jahren veröffentlichten die blutjungen Depeche Mode "Black Celebration" – gegen alle Einwände und Kritik

Wer ein Feuerwerk zündet, will feiern. Das Feuerwerk in „Stripped“ aber deutete etwas Anderes an. Es klang tiefer, verzerrter, zeitlupenartig, wie die letzten Sekunden eines Lebens. Dave Gahan sang „Come with Me / Into The Trees“ und am Ende „Let me hear you crying / Just for me“.

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Wegbegleiter und Plattenfirma hatten Depeche Mode abgeraten, „Stripped“ als Vorabsingle ihres Albums „Black Celebration“ auszukoppeln. Es kam ihnen zu düster vor und zu lauernd, es war auch recht langsam. Aber genau so wollten die vier Musiker wirken. Sänger Gahan in der Rolle eines Verführers, der eine „schwarze Messe“ feiert.

Mit „Black Celebration“ veröffentlichten Depeche Mode im März 1986, einen Monat nach dem Song „Stripped“, ihr riskantestes Album. Die Produzenten Gareth Jones und Daniel Miller nahmen vom Industrial-Sound des Vorgängers „Some Great Reward“ (1984) Abstand, die Maschinen Berlins, das Keuchen, Zischen und Eisenknallen war erstmal passé. Sie entwickelten einen neuartigen schlankeren Sound, der viel eleganter und gleichzeitig bösartiger war. „Black Celebration“ war ein Stachel, wie im Samthandschuh präsentiert.

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Der Tod ist überall

Es klang nach Palästen umringt von Feuersäulen, wie im Titelstück, es klang nach einem Walzer mit dem Teufel („Dressed in Black“) oder dem Spiel auf einer Orgel, deren Pfeifen aus Skeletten bestehen („It Doesn’t Matter Two“). Das Plattencover, rote Rosen wachsen auf ein Hochhaus zu, sah aus wie von Stephen Kings „Dunkler Turm“ entnommen. Und immer den Tod im Blick, der unsere Sicht aufs Leben bestimmt: „Death Is Everywhere / There Are Flies On The Windscreen / For A Start“. Und auch immer wieder über Songs verstreut zu hören: das Ticken einer Uhr. Die Zeit läuft ab.

Depeche Mode live im Ahoy in Rotterdam, 1986.
Depeche Mode live im Ahoy in Rotterdam, 1986.

Nicht ohne Stolz berichten Depeche Mode heute darüber, wie sie mit dieser Platte gegen Vorurteile ankämpfen mussten. Die dem Re-Release von 2007 beigefügte Dokumentation zitiert mit ihrem Titel Daniel Miller: „The Songs Aren’t Good Enough, There Aren’t Any Singles And It’ll Never Get Played On The Radio“. Zu Millers Verteidigung muss man anführen, dass er sein Urteil auf die Demoversionen bezogen hatte.

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Die Amerikaner standen zumindest „Stripped“ kritisch gegenüber, die dortige Plattenfirma wechselte A- mit B-Seite aus und entschied sich für das höflichere „But Not Tonight“ als Vorabsingle – auch dieser Song ein Killer-Track, für den die heutigen Depeche Mode wohl einiges geben würden, könnte Martin Gore noch derart befreit komponieren.

Martin Gore mal vier

Depeche Mode hatten 1986 viel hochklassiges Material angesammelt, der Albumvorgänger „Some Great Reward“ erschien zwei Jahre vorher, es markierte ihre längste Pause. Die zwei Stand-Alone-Singles „Shake The Disease“ und „It’s Called A Heart“ von 1985 wurden nicht, und sei es in Überarbeitungen, dem anstehenden „Black Celebration“ beigefügt – derart überzeugt war die Band davon, es auch so mit den neuen Stücken zu schaffen.

Songschreiber Gore platzierte gleich vier von ihm selbst gesungenen Stücke auf der Platte, mehr als je davor oder danach. Depeche-Mode-Studioalben sind ja sorgfältig kompiliert, die Tracklist stellt dramaturgisch meist eine Entwicklung dar. Hier fuhr Gore mit „A Question Of Lust“, „Sometimes“ und „It Doesn’t Matter Two“ auf den Positionen drei bis fünf gleich mehrere Wellenbrecher auf. Nie sang der 24-Jährige so schön, so verletzlich, so jenseits allen Kitsches über die Gefühle von Teenagern. Diese Eigenschaft hat Gore sich bis heute, 30 Jahre später, bewahrt. Auch wenn er zuletzt, wie im „Delta Machine“-Stück „The Child Inside“, noch weiter zurückblickte, bis in die Kindheit.

Keine Hits!

Hier demonstriert er noch den klassischen Zwiespalt des Heranwachsenden, der die große Gefühle ausdrücken möchte, aber sich dafür schämt. In „Some Great Reward“ war das „Somebody“ mit der Zeile „Though things like this / Make me sick / In a case like this / I’ll get away with it. “ Und in „Sometimes“, mit seinem zynisch-pastoralen Chor singt Gore „If you catch me in a mood like this / I can be tiring / Even embarassing / But you must feel the same.“

„Black Celebration“ war auch alles andere als ein Flop – Platz vier in Großbritannien, so hoch kamen Depeche Mode bis dato noch nie. Lediglich die drei Single-Auskopplungen, neben „Stripped“ waren das „A Question Of Lust“ und „A Question Of Time“, enttäuschten in den Charts des Vereinten Königreichs, keiner der Songs knackte die Top Ten.

Photo of DEPECHE MODE

Dabei hatte die Band gerade mit „A Question Of Time“ einen Instant-Klassiker kreiert – für Motorradlederjacken-Träger Dave Gahan muss das Lied wie Geburtstag und Weihnachten gleichzeitig gewesen sein. Trotz des elektronischen Gewands war „Time“ ein echtes Rock’n’Roll-Statement, es setzte den Sänger, der immer exaltierter auftrat, ins rechte Licht. Man fühlte sich in die 1950er Marlon Brandos zurückversetzt, Gahan singt davon, wie er eine Teenagerin aus den Fängen einer Gang befreit, Gore spielte dazu ein – viel zu wenig gewürdigtes – Gitarrenriff. Der Grundstein für die Rockstar-Phase, die erst ab 1993 beginnen sollte, war hier gelegt.

Auch heute noch gewürdigt

Die Riesenerfolge, etwa mit „Personal Jesus“ und „I Feel You“ würden ja noch ausstehen. Aber während zum Beispiel „Never Let Me Down Again“ aus dem Albumnachfolger „Music For The Masses“ (1987) schon so klang, als machen sich Depeche Mode fürs Stadion warm, war „Black Celebration“ sich selbst genügend, ein kleiner funkelnder Diamant, der aus der Hosentasche lugt.

Auch 30 Jahre später weiß die Band diese Platte zu würdigen. Der Titelsong schafft es regelmäßig auf die Setlist, die Singles sowieso, das leider nicht als Single erschienene „Fly On The Windscreen – Final“ auch, und Martin Gore zerlegt „Dressed In Black“ oder „It Doesn’t Matter Two“ live in einer Pianoversion bis auf die Knochen.

Welcher Song war bei der 2013er-Tour der meistgefeierte? Nicht „Enjoy The Silence. Sondern „But Not Tonight“, eine B-Seite!

Rob Verhorst Redferns
Ebet Roberts Redferns