Drucksachen
Woodstock Dream – Elliott Landy (Te Neues, 29,80 DM)
Man hätte diese Bilder auch nicht gesehen, wenn man damals dabei gewesen wäre: der entrückte Narziss Jim Morrison, die schlamperte und weggetretene Janis Joplin, die bei Pressekonferenzen noch immer artig wirkenden Beatles, der heiligmäßige Dylan auf seiner Scholle, The Band beim Fußball, in der Hängematte, im Aufzug, die junge Janis Ian, der alte Albert Grossman, Van Morrison im Poncho mit Frau und Kind Joe Cocker bei seinem berühmten Schreianfall. Nur B. B. King sieht sich heute noch ähnlich: beseeltes Grinsen im Gesicht, riesige Kulleraugen, „Lucille“ liebkosend. Elliott Landys Fotos von 1969/70, nicht nur Woodstock, sind sensationelle Dokumente der letzten Tage des Hippietums. Bald würden einige der Versammelten nicht mehr leben, Dylan würde in die schlimmste Krise verschwinden, The Band eigene Platten aufnehmen. Und Richard Manuel schaut vorm Supermarkt in einen Einkaufswagen – das rührendste Motiv. Landys Bilder zeigen aber auch die Perspektive, aus der man auf Woodstock blicken muss: nicht aus dem Krähwinkel der Nostalgie, sondern mit dem Adlerauge der Aktivisten seit 1965. Auch das dokumentiert Landy: Anti-Vietnam-Demos, Pro Abtreibungs-Demos, daneben Auftritte von Dustin Hoffman, Barbra Streisand, Keir Dullea, Norman Mailer, Lauren Bacall und Dirk Bogarde. Das gehört natürlich zusammen: der Protest auf der Straße und die linksliberalen Schauspieler und Schriftsteller, die aus den Limousinen steigen und dem Wandel ein Gesicht geben. Zu schweigen von Jimi Hendrix, der hier oft und oft porträtiert ist und jedes Mal gleich aussieht, schon damals Inbild seiner selbst. 4,0
Dylan In Woodstock – Elliott Landy (Genesis Publications. ca. 600 DM)
Der Heiligenschrein, auf 1750 Exemplare limitiert und von Landy signiert. Ich bin schon froh über die losen Bögen, aber machen Sie keinen Fehler: Dieser Prachtband, der demnächst vorgelegt wird, ist jede Mark wert. Es gibt ja heute mehr Dylanologen im Land als Priester, und die werden die Bestände sofort aufkaufen. Die Fotos entstanden zurzeit der Session für „Nashville Skyline“, Dylans glänzende Pseudo-Country-Platte von 1969. Sieht man heute den vermufften Hagestolz, der hartgekochte Eier bestellt und irgendwie jenseitig, schon geisterhaft durch das Video von „Things Have Changed“ schlurft, wirken diese Fotos noch unfasslicher. Alleweil erscheint er als gut gelaunter Quäker, Harlekin oder Hausvater, lehnt am Oldsmobile, schaut neckisch hinter einem Strauch hervor. Das pastorale Idyll, mal mit, mal ohne Bart. Ein Mann um die 30, Ma, sonst nichts. Dazu die rustikalen Gesellen von The Band, die geradewegs dem leider erst später gedrehten Film „Heaven’s Gate“ entstiegen sein könnten: Bärte und Koteletten, wohin das Auge blickt, und diese komischen Anzüge. Landy fotografierte sie für das Cover von „Music From Big Pink“ in Toronto, es gibt auch Session-Aufnahmen mit Dylan. An „Skyline“ waren sie freilich nicht beteiligt, wohl aber an den, „Basement Tapes“. Und wie diese die Suche nach den Ursprüngen, nach Mythen und Mysterien der USA waren, so berichten Landys Fotos vom ursprünglichen Leben, vom kargen Brot auf dem Teller, von der Büchse Bier und dem Tollen im Garten. So gesund waren sie nie wieder. Gealtert, von Kokain gezeichnet sah man sie in „The Last Waltz“ wieder. Diese Aufnahmen machte ein anderer Bart, der auch ganz viele Drogen zur Hilfe nahm: Martin Scorsese. 5,0