DRUCKSACHEN :: VON WOLFGANG DOEBELING

Hendrix auf der Bühne, heulend, seine Gitarre malträtierend, auf die Knie krachend, die Zunge zwischen den Saiten, konvulsiv zuckend, die Augen geschlossen. Schnitt zu Henry Rollins. Der sitzt irgendwo in einem TV-Studio, spürbar mitgenommen von Jimis Performance. „Man“, sagt er in die Kamera, „wenn du als Musiker nicht bereit bist, so viel zu geben, dann verkauf lieber Staubsauger.“ Sinngemäß. Ist schon eine Weile her, daß dieser Werbespot für irgendeine Hendrix-Compilation lief. Aber er brachte das Kunstverständnis des Henry Rollins perfekt auf den Punkt: Intensität ist alles. Egal, was er für den Clip bekommen hat, verstellen mußte er sich also bestimmt nicht. Rollins ist larzan im Rock-Dschungel, so muskulös wie ehrlich, so maskulin wie geradeheraus. Ein Mann der guten Tat. Und ein Mann des Wortes. Bücher am laufenden Band. Das aktuelle heißt „SEE A GROWN MAN CRY/NOW WATCH HIM DIE“ (2.13.61. Publications. ca. 45 Mark, erhältlich bei Medium, Rosenstr. 5, 48143 Münster). Eigentlich sind es zwei literarische Ergüsse in einem, aber das tut wenig zur Sache. Was der Leser bekommt, ist eine Achterbahnfahrt durch Henrys Gehirnwindungen, die wortgewaltige Berserker-Lyrik und die fummelige Potenz-Prosa, keineswegs unintelligent und durchaus unterhaltsam. Manches ist Alpdruck pur, anderswo zerplatzen Seifenblasen: „Cindy Crawford… I’m listening to you talk/ You’re one of the most intense people I’ve ever seen/ Fascinating/ You must be so great in bed/Not.“ Not?

Ebenfalls kürzlich erschienen ist ein Sammelband des Hardcore-Poeten: „THE FIRST FIVE“ (2.13.61 – das ist, Sie ahnen es, Henrys Geburtsdatum – ca. 50 Mark) umfaßt die frühen Schriften der Jahre 1983 bis 1987. Rollins noch suchend, seelenforschend, aber schon voller Verachtung für den Alltag und die, die ihn bevölkern. „People are pigs. They want to make you soft. They try to kill you with small talk. Death to the annihilators of time.“ Henry Rollins zu sein, strengt an. Das ist okay. Allemal besser als Wischiwaschi. Und geht es um Gerechtigkeit, ist Henrys Trefferquote hoch, auch wenn er oft ziemlich ziellos in die Gegend ballert. „The nice guys don’t play good“, weiß er. „Nice guys suck when they play. You can’t be nice and be any good.“ Ich habe ihn einmal kennengelernt. Konnte nie viel anfangen mit seiner Musik, doch hinterließ unser Gespräch keinen Zweifel: Henry Rollins ist ein verdammt netter Kerl. Beide Bände: 3,5

Über Henrys Idol ist ein kleines 70-Seiten-Büchlein erschienen: „JlMl HENDRIX UND DER STURM AUF FEHMARN“ (Kultur Buch Bremen, 25 Mark) dokumentiert Jimis letzten Gig in Augenzeugenberichten und Comics, läßt die Veranstalter zu Wort kommen und Ordner, Beate Uhse und Inga Rumpf. Letztere trat mit Frumpy auf, erstere betrieb einen Stand mit ihren 28 meistverkauften Produkten, ausgesucht für das „Fehmarn Love & Peace Festival“, so der offizielle Name der von Wind und Wetter arg zerzausten Chaos-Veranstaltung für die 30 000 Hippies im September des Jahres 1970. Hier und da wird euphemistisch vom „deutschen Woodstock“ schwadroniert, doch sprechen dem Berichte und Fotos Hohn: Rocker mit einem Schwein am Spieß, die Bundeswehr mit Feldküche, Notverpflegung durchs Rote Kreuz, alle knöcheltief im Schlamm, die Musik vom Winde verweht, das Essen zwar knapp, aber gottlob genug zu trinken: Bier (Dortmunder Ritter), Sinalco und Pepsi Cola. Daneben das Schild eines ambulanten Buch-Bootleggers: „Lest Wilhelm Reich: Kritik der bürgerlichen Sexualreform, 6,-„. Einfach irre. Es war der Gitarrengott, der das alles zusammenhielt. Zitat: „Auf Jimi Hendrix sind damals die Flower-Power-People genauso wie die Rocker drauf abgefahren. Jimi Hendrix fanden alle geil.“ Siehe oben. 2,0

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