Franz Ferdinand
„The Human Fear“
Domino (VÖ: 10.1.)
Die Schotten und ihr routiniertes Retro-Faible.
Wenn die letzte Veröffentlichung ein Best-of-Reigen war, im Fall von Franz Ferdinand „Hits To The Head“, erschienen 2022, dann beginnt danach immer eine neue Ära. Das Hitkonto der zweiten Staffel steht auf null, Schampus mit Lachs muss man sich erst wieder verdienen. An dieser Stelle ein mulmiges Gefühl zu haben wäre menschlich. Das Quasi-Konzeptalbum „The Human Fear“ hat die Schotten aber nicht in die kreative Paralyse getrieben. Vielmehr hat die Retrospektive die Essenz der Band, von „Franz Ferdinand“ (2004) bis „Always Ascending“ (2018), übersichtlich und beispielhaft destilliert. Ihre kühne Direktheit, lyrisch wie musikalisch, ist das Aushängeschild der Schotten, das trotz Retro-Faible immer Richtung Zukunft zeigt.
Franz Ferdinand empfehlen sich also weiterhin, auch ohne die Hitdichte ihrer ersten beiden Alben
Dass die elf neuen Songs vorwiegend in nur wenigen Takes live im Studio eingespielt wurden, passt zum Thema der Platte. Wer keine Angst vor Fehlern hat, macht auch keine. Die erste Single, „Audacious“, klingt wie eine handelsübliche Franz-Ferdinand-Nummer, mit Alex Kapranos’ bester Dandy-Stimme und einem Refrain, bei dem man denkt: Bowies „All The Young Dudes“ in der Version von Mott The Hoople könnte man auch mal wieder hören! Glamrock ist also immer noch ein relevanter Eckpfeiler in der Klangarchitektur der Band aus Glasgow.
Aber auch der auf „Tonight: Franz Ferdinand“ (2009) kultivierte Synthie-Electropop findet sich auf ihrem sechsten Studioalbum wieder: „Hooked“ ist vermutlich der penetranteste, elektronischste Song, den man je von Franz Ferdinand gehört hat. Ein fast schon technoides Stück über die süße Folter, jemandem zu verfallen: „I thought I knew what love was/ And then I met you.“ Für Lied und Liebe gilt: Beide können höllisch nerven, aber entziehen kann man sich ihnen kaum. „Tell Me I Should Stay“ überrascht dafür mit beschwingt-opulentem Phil-SpectorFlair im Refrain, „Black Eyelashes“ mit griechischer Folklore. Franz Ferdinand empfehlen sich also weiterhin, auch ohne die Hitdichte ihrer ersten beiden Alben.
Diese Review erschien im Rolling Stone Magazin 1/25.