Im Keller :: Regie: Ulrich Seidl

Mit der Spießerabgrund-Erforschung „Hundstage“ wurde Ulrich Seidl berühmt, mit dem Migranten-Swingerdrama „Import Export“ berüchtigt, und mit seiner „Paradies“-Trilogie erhielt er schließlich die Weihen der Kunstakademien. In seiner neuen Dokumentar-Expedition arbeitet er bereits im Titel offen spekulativ: Denn wer dächte beim Titel „Im Keller“ nicht an die Abgründe von Amstetten und an das Leiden der Natascha Kampusch? Auf derartigen Voyeurismus setzt der Regisseur.

Was er dann zeigt, ist mehr bizarr als grausam: gewohnt hypercleane Ästhetik, gewissermaßen mit Antiseptikum nachgereinigte, von Martin Gschlacht aber tatsächlich sehr schön fotografierte Bilder von Modelleisenbahnen und PartykellerBars, Neonazis und Sadomasochisten, vom Singen im Schießkeller und vom Saufen vor Hitlerbildern. Der Kellernazi freut sich über sein Führerporträt und erzählt, dies sei einst „das schönste Hochzeitsgeschenk“ gewesen. Die Sadistin sagt dem Regisseur: „Ich liebe meinen Ehesklaven abgöttisch“, und ruft diesem dann „Schwein, komm her!“ zu, worauf dieser fröhlich grunzt. Das Publikum denkt: Sachen gibt’s, und gluckst verlegen. Irgendwann ist dann alles gleich: Kleinbürger-Ritua­le hat schließlich jeder. Und man weiß nicht mehr, was perverser ist: die Nazis oder die Sadisten, und lacht mit der Bereitschaft derjenigen, die sich sicher sind, mit alldem nichts zu tun zu haben.

Was aber, wenn man das alles auf RTL sehen würde? Dann gäbe es Empörungskaskaden, der Fernsehrat würde eingeschaltet, ein Beispiel für ebenso menschenverachtendes wie unterhaltungslüsternes Unterschichten-Fernsehen wäre gefunden. Ulrich Seidl kann seine Arbeit natürlich besser und gebildeter erklären: Er „liebe“ seine Protagonisten, „Stellvertretergeschichten“ seien seine Filme. Wofür aber stehen sie? Das ist eine der Fragen, und so existenziell wie Seidl daherkommt, müsste er eigentlich endlich mal nicht mehr Filme über die Abgründe der anderen machen, sondern die eigenen in den Fokus rücken.

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