Jason Isbell And The 400 Unit

The Nashville Sound

Country, Folk und viel Melancholie: Der ehemalige Drive-By-Truckers-Gitarrist leidet weiter unter den Verhältnissen

Das Gefühl, übrig geblieben zu sein. Nichts mehr hier verloren zu haben. Die Welt um einen herum ist versunken, ein bisschen Familie noch da, aber das macht es eigentlich nur schlimmer: Der einfachste Ausweg ist jetzt auch keine Option mehr, weil die kleine Tochter es ihm nicht verzeihen würde, wenn er aufgäbe. Kurzum, Jason Isbell ist am Arsch.

Dabei hat er jetzt die Alkohol- und Drogensucht im Griff, er hat eine Ehe und eine Karriere, es könnte alles gut sein. Doch die Melancholie wird der 38-Jährige aus Alabama nicht los, sie durchzieht sein neues Album in jeder Minute.

Wehmütig stellt er schon beim Auftakt, „Last Of My Kind“, fest, dass er noch nie dazugehört hat: „Tried to go to college, but I didn’t belong/ Everything I said was either funny or wrong/ Laughed at my boots and laughed at my jeans/ Laughed when they gave me amphet­amines.“ Die Akustikgitarre klingt so traurig wie der schwärmerische Gesang, der auch die Liebestragödie „Tupelo“ über den üblichen Country­-Folk-Standard hinaushebt. Jason Isbell macht jetzt die Platten, die sein Freund Ryan Adams nicht mehr macht. Ihm fehlt dessen poetischer Wahnsinn, er schaut sich dafür genauer um auf dieser Welt. Was er sieht, gefällt ihm natürlich nicht. In „White Man’s World“ weint eine Bluesgitarre, während Isbell seinen Glauben anzweifelt und sich für praktisch alles schämt. In „If We Were Vampires“ wirft ihn die Erkenntnis um, dass auch die längste Liebe, und wenn sie 40 Jahre dauert, eines Tages mit dem Tod endet – der größte Witz, den dieses Leben zu bieten hat. Isbell erlaubt sich einen egoistischen Gedanken, den jeder Liebender verstehen wird: „I give you every second I can find/ And hope it isn’t me who’s left behind.“

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„Something More Than Free“: So ein Leben hatte sich Isbell auf seiner vorigen Platte gewünscht, auf „The Nashville Sound“ scheint diese Aussicht weit weg zu sein. Er geißelt die eigene „Anxiety“, vergleicht sich mit einem „Molotov“, befürchtet, dass von der Liebe nur „Chaos And Clothes“ bleiben. Erst gegen Ende schwingt er sich doch zu ein bisschen Optimismus auf: Die Durchhaltehymne „Hope The High Road“ erinnert in ihrer Hemdsärmeligkeit noch mehr als alles andere an seine ehemalige Band Drive-By Truckers, der sanfte Schunkler „Some­thing To Love“ fährt das Album dann sicher nach Hause. Dort wartet vielleicht kein Glück auf Jason Isbell, aber hoffentlich wenigstens ein warmes Bett. (Southeastern/Thirty Tigers)