JAZZ :: von Klaus von Seckendorff

Eine dankbare Rolle für Terje Rypdal: Der Gitarrist spielt den Retter in „The Sea II (ECM). Die Regie fährt KETIL BJOERNSTAD – ohne eine Scheu vor Dreiklang-Schlichtheiten, die ihm Jazzbetontere Pianisten kaum streitig machen dürften, solange sie sich nicht aufs Kadenzenüben besinnen. Auch Cellist David Darling weckt gelegentlich unselige Erinnerungen an „The River“, eine im Duo mit Bjoernstad nicht ohne Pathos inszenierte Einübung ins ganz bewußt Schlichte. Aber sobald Rypdal hinzukommt, mischen schroffe Rock-Sounds das kammermusikalische Paradies auf. Und Jon Christensens Schlagzeugspiel sorgt dafür, daß die Grenze zur Pseudo-Innigkeit der New Age Music nicht gefährlich verwässert wird durch diese bereits dritte Fortführung der Bjoernstadschen „Water Stories“. 3,0

Gänzlich unprätentiös dagegen die 29 kurzen, oft witzig variierten JDanses Et Andres Seines“ (Label Bleu/-EFA), die LOUIS SCLAVIS für Theater oder Ballett komponiert hat, für Filmemacher oder Fotografen. Nach seiner „imaginären Volksmusik“ nun also auf den ersten Blick oft ganz unmittelbar volkstümliche Melodien. Ihren Eigensinn offenbaren Sdavis (cl, sax, fl), Bruno Chevillon (b), Dominique Ptfarely (viol) und all die anderen Beteiligten diskreten detail. 3,5

Noch frappierender wirkt die Nähe von Avantgarde und Volksmusik bei den fünf Eigenbrötler(inne)n des „ACCORDION TRIBE“ (Intuition). Guy Klucevsek kann als Symbolfigur gelten für die Abkehr des E-Musikers vom „Für-die-Anerkennung-durch-Komponistenkollegen-Schreiben“. Polka und experimentelle Klänge, Swing und irrwitzige Walzer-Apotheosen: Der Wiener Otto Lechner trifft auf den hierzulande mit Tom Cora bekannt gewordenen Slovenen Bratko Bibic, Maria Kalaniemi macht mit Knopfakkordeon-Melodien süchtig, der Schwede Lars Hollmer verstrickt den ganzen Tribe in seine Skurrilitäten. Lauter prächtige Beispiele für die junge „schräge Renaissance der Quetschkistenmusik“ (siehe auch RS1/97). 4,0

Auf Brasiliens Straßen hat der Percussionist CAITO MARCONDES portugiesische und afrikanische Einflüsse dokumentiert und drum herum seine Musik für einen Posaunisten und das TURTLE ISLAND STRING QUARTET entwickelt. „Porta Do Templo“ (ACT) ist kunstvoll verspielt im besten Gismonti-Sinne. 4,0

Einer unter vielen großen Pianisten, mit denen CHARLIE HADEN in den letzten Jahren Duo-Erfahrungen sammelte, ist KENNY BARRON.

Schön, daß die beiden nichts mehr beweisen müssen. Jedoch, man kann es auch übertreiben: Um Haaresbreite schlingert „The Night And The City“ (Verve) an Altherrenweisheit und barmusikalischer Beiläufigkeit vorbei in den Hafen des letzlich doch untrüglich guten Geschmacks. 3,0

Minimalistische „Five Views of Mysterioso“, ein eher impressionistisches „Round Midnight“: „Thelonious“ (nonesuch) Monk ist FRED HERSCH eine ganze Solo-CD wert Überraschend, weil sich Hersch eher als Kammermusiker des Klavierjazz in der Bill-Evans-Tradition den Ruf des „ewig Verkannten“ erworben hat. Trotz der für ihn typischen subtilen Eleganz läßt sich Hersch auf das Sperrige ein: interessanter, ab wenn so mancher von Haus aus Geistesverwandte den Mönch spielt. 4,0

Nach einem originellen Start mit Charlie Hunters Version des Marley-Klassikers „Natty Dread“ ging’s mit den „Blue Note Cover Series“ bergab. Auch was der gelegentlich zum Sopransaxophon greifende Arrangeur BOB BELDEN mit Carole Kings „Tapestry“ veranstaltet, ist über weite Strecken ein Ärgernis. Song für Song in der Reihenfolge des Originals zu Covern: ein starkes Konzept für weitgehend austauschbare Fusion-Muzak. „Tapestry“, ab Bodenbelag für den Fahrstuhl neu gewebt mit ein paar Reggae-Fädchen, Erst in der zweiten Hälfte kommen feine Irritationen ins Spiel – dennoch ist diese eher lieblose Arbeit an Carole King nicht wirklich überzeugend. 3,0

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