Jimi Hendrix :: West Coast Seattle Boy
Reichlich apokryphes Material aus den Hendrix-Archiven
Die gewaltige Raritäten-Kollektion, die Janie Hendrix im September 2000 in Form eines Vier-CD-Sets vorlegte, war natürlich nicht das letzte Wort, was das Vermächtnis ihres Stiefbruders angeht. Die Bootlegger boten weiterhin Konzertmitschnitte en masse an. Legal, illegal und sch…egal erschienen zuletzt zunehmend auch im Netz serienweise Studio-Outtakes vornehmlich der Jahre 1967 bis 1969, teils von durchaus beachtlicher Aufnahmequalität. Bitter vor allem für nachgeborene Fans: Selbst die wichtigsten, herausragenden Live-Mitschnitte mochte „Experience Hendrix“ bislang nicht prima remastered auf CD wiederveröffentlichen. Ein paar wenige Kostproben derselben gibt es jetzt auf dem neuen Box-Set „West Coast Seattle Boy“. Das ist mit immerhin 45 zumindest absolut koscher bislang nicht erhältlichen Aufnahmen so etwas wie ein Listener’s Digest an Outtakes aus Hendrix‘ Nachlass.
Zusätzlich findet man auf der ersten CD Aufnahmen, bei denen Hendrix als Session-Gitarrist der Jahre 1964 bis 1966 zu hören ist. Einige der Plattenfirmen, die diese Aufnahmen mit den Isley Brothers, Little Richard, King Curtis und anderen veröffentlichten, hatten nichts Eiligeres zu tun, als in den späteren 60er-Jahren prominent den Namen Hendrix auf den LP-Covers abzudrucken. Hendrix fällt in den Ensembles selten durch ausgesprochen inspiriertes Spiel auf.
Das änderte sich bekanntlich gewaltig, als Chas Chandler ihn nach England lotste. Bei den Studio-Outtakes der zweiten CD, die einen gleich beim Instrumental „Are You Experienced?“ wild experimentierenden Gitarristen dokumentieren, käme niemand auf die Idee, dass das noch derselbe Hendrix sein soll. Was er bei den abweichenden Arrangements in diese AIternativ-Takes auch an filigraner Technik einbrachte, ist immer noch staunenswert. Manchmal hat man es aber auch nur mit dem Mono-Mix oder einer frühen Live-Aufnahme zu tun.
Einiges mehr als die nur 13 Aufnahmen (Studio-Experimente und alternative Live-Mitschnitte) auf der dritten CD hätte man längst, zeitlich passend, als Zugaben auf den Original-Alben bringen können, „Purple Haze“ im ursprünglichen Mix und noch weit mehr. An – offiziell zumindest – unveröffentlichten Aufnahmen wie den 14 der vierten CD (aus Studiomaterial und Live-Auftritten wie im Fillmore und dem durchaus bekannten in Berkeley) gibt es garantiert noch so viele, dass sie problemlos ein weiteres komplettes Box-Set füllen würden. Nichts läge da eigentlich näher als eine „Official Bootleg Series“ auf CD! Dafür sollte dann auch Stephen Stills die Bänder der Aufnahmen und Jam-Sessions mit Hendrix aus seinem Archiv zur Verfügung stellen, auf dass Eddie Kramer sie klanglich endlich mal in Schuss bringen darf! (Sony)