Kastrierte Philosophen

„Jahre 1981–2021 (+1)“

Cargo/Zebralution (VÖ: 27.1.)

Werkschau mit eigenwillig spröden Düstersongs

Wie ihr Name schon andeutet, war die Anfang der Achtziger in Hamburg formierte Band nicht eine der damals handelsüblichen Punk-­ oder New-Wave­-Crews. Das zentrale Duo Katrin Achinger und Matthias Arfmann fühlte sich dem Zeitgeist von Krach, Krawall und Do It Yourself zwar eng verbunden. Doch die in Warhols Factory geborene Kunsttruppe Velvet Underground standen den beiden ästhetisch weit näher als etwa das Rock-Gepolter der Sex Pistols.

Eine Retrospektive ohne verkniffene Wehmut

Die ersten Tracks veröffentlichten sie, ganz Kinder ihrer Zeit, standesgemäß auf Kompaktkassetten. Achingers fragile Stimme und Arfmanns Psychedelia verbanden sich zu einem magischen Amalgam. Nun haben sie ihren umfangreichen Katalog durchforstet und dabei erst mal 15 Songs für eine Compilation destilliert; der große Rest erscheint sukzessive digital aufgemö­belt als Internet-­Angebot. Der hier kredenzte Soundkosmos bleibt von Anbeginn an düster, tastend, gern auf das Wesentliche reduziert, wie es der älteste Song der Werkschau, „Do I Know You“ (1981), exemplarisch dokumentiert.

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Es sind die Kompositionen „Love Factory“ (1985) und „Callando Los Siglos“ (1986), die die Philosophen zu einer gefragten Club-Live­-Band werden ließen, verstärkt durch Gastmusiker. Dass sie seinerzeit auch im Vorprogramm der spä­ten Nico unterwegs waren, passt zu ihrem schattigen Timbre. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Spektrum der Multiinstrumentalisten breiter, lyrischer, verspielter. Eingerahmt wird das einstige Hamburg Düstercouple durch zwei aktuelle Produktionen: „Time“ am Anfang und das deutsch gesungene „Jahre“ als Schlusspunkt stehen für ein Lockerlassen im Alter. Schließlich hatte Achinger in der Zwischenzeit ihre Soloprojekte (etwa mit The Flight Crew) angestoßen, während Arfmann in der hanseatischen HipHop-Szene als Produzentenguru von Jan Delay, den Absoluten Beginnern oder Patrice seinem Faible für Studiotricks und Electrobeats frönte. Eine Retrospektive ohne verkniffene Wehmut.