Kelela Cut 4 Me :: Es geht um Liebe und Trennungsschmerz; um kleine Gesten, die zu viel bedeuten, und um große Gefühle, die plötzlich verschwinden; es geht um die Entfremdung von einst nahen Menschen und um Freunde, die zu Feinden werden; es geht um Rassismus und Fremdheit, um den Schmerz, nicht dazugehören zu dürfen und die Sehnsucht, nicht dazugehören zu wollen; es geht um die innere Zerrissenheit, die uns alle so irre macht es geht um kleine Geschichten und Alltagsbilder, die Kelela Mizanekristos mit soulvoller, sanfter, oft samtener, nur manchmal zornig zitternder Stimme darbietet.
„Cut 4 Me“ heißt das Debütalbum der kalifornischen Sängerin mit äthiopischen Wurzeln, und man sagt nicht zu viel, wenn man sagt, dass dies eine der besten Platten des gerade vergangenen Jahres ist: berührend in der Intimität ihrer Lieder, in der Wahrhaftigkeit ihrer Texte -und absolut erregend in der Abstraktion der Musik. Kaum sonst irgendwo wird man in diesem Winter so aufregend irisierende Sounds hören wie hier, so warme und weiche und manchmal brutale Bässe; und nirgendwo sonst wird der Widerspruch zwischen Wärme und Weichheit und Brutalität so lässig und wirkungsvoll zum Verschwinden gebracht wie hier.
Die Platte ist auf Fade to Mind erschienen, dem Label des New Yorker Clubmusikproduzenten Ezra Rubin alias Kingdom; zu Kelelas Labelgenossen gehören unter anderem die Hochgeschwindigkeitsbeatbastler von Nguzunguzu und die auch in dieser Kolumne schon ausgiebig gelobte Niedriggeschwindigkeits-Dubstep-trifft-Muezzingesänge-Produzentin Fatima al-Qadiri. Eine ganze Reihe der gegenwärtig aufregendsten jungen Elektro-Avantgarde-Protagonisten hat an „Cut 4 Me“ mitgewirkt – weswegen Kelela selber das Werk auch nur als „Mixtape“ bezeichnet und nicht als Album. Wer sucht, kann einen bunten Strauß von Zitaten pflücken: Man hört die heruntergepitchten Rhythmen des Witch House (etwa in dem Stück „Do It Again“) ebenso wie die veitstanzhaft zuckenden Beats aus dem Footwork-Genre (in dem großartigen „Enemy“), man hört Grime und Post-Dubstep und futuristischen R&B nach Pharrell-Williams-Art – und doch hat man niemals den Eindruck, es hier mit einem technisch überzüchteten Showcase zu tun zu haben oder mit einem gewollt sperrigen Underground-Werk.
Denn alles ordnet sich den Melodien unter, fordert sie heraus und bettet sie ein: Mit dem souveränen, doch nie gespreizten, nie unnötig extemporierenden Gesang von Kelela stehen die elektronischen Sounds in der besten nur denkbaren Beziehung. Souverän geschmeidig und doch stets überraschend schmiegen die Rhythmen und Bässe sich unter die Stimme -um sich im nächsten Moment wieder gegen sie zu sperren, um den Raum um sie herum zum Erzittern zu bringen und die Geradlinigkeit der Melodie zu zerstören.
Vielleicht könnte man sagen, dass Kelela mit „Cut 4 Me“ zum weiblichen Pendant zu R&B-Erneuerern wie Drake und The Weeknd geworden ist – nur dass ihr alle Larmoyanz fehlt, aller Überdruss, Welt- und Selbstekel der männlichen Superstars, dieser ganze dekadente Machismo, den man in der Konsequenz seiner Darbietung faszinierend finden kann, der in Wirklichkeit aber auch häufig nur nervt. Kelela hingegen singt von sich und den kleinen Dingen; die Großartigkeit ihrer Musik erwächst aus den Details und dem Blick für sie. „Cut 4 Me“ ist eine nahezu perfekte Pop-Platte und ein Werk der abenteuerlichsten Avantgarde; eine klangliche Kopfgeburt, von Zukunft gesättigt, und ein zutiefst menschliches, heutiges Werk.