Lambchop :: Thriller

Guter Titel. Wir denken an Die Ärzte, die ihre letzte Tournee relativ dreist „Vfoodoo Lounge“ nannten. Soweit bekannt, entging dieser kleine Witz dem Radar der Rolling Stones-Jusritiare. Man kann nur hoffen, daß auch Lamchop ungeschoren davonkommen. Wenn Michael Jackson Kurt Wagner und seine Leute mit einer 260-Millionen-Klage an der Wand zerquetschte, wäre unser Leben ein bißchen ärmer Wagner wäre pleite und könnte keine 13 Mann mehr bezahlen, die aus diesen bescheiden und indiemäßig gestalteten Platten die Wahnsinnsunternehmen machen, die sie sind.

Wagnerianer mögen es nun mal etwas dicker. Und die Wagners lieben es nicht minder, fett aufzutragen: Früher Richard (Bayreuth). Dann Franz Josef („Bunte“). Und jetzt Kurt. Zwischen Country und Camouflage ist viel Platz. Kurt Wagner nutzt ihn aus. Nichts ist, wie es scheint, die Gemütlichkeit trügt. Unter den versponnenen Akkorden wartet der Wahnsinn auf den Moment, wo die Luft rein ist. Hinter den sauberen Linien der Steel Guitar schummert die Neurose. „How I Quit Smoking“ war zuletzt wohl das, was man ein „homogenes“ Album nennt: gut gezuckerter Nashville-Country in Zeitlupe, Wagners Worte fielen wie Regentropfen in den trägen Fluß der Musik. Aber schon diese zerdehnten Idyllen waren zuweilen gespenstisch und comichaft. Jetzt sind Lambchop über die Ufer getreten. „Thriller“ übersteigert und erweitert das alte Konzept nach allen Seiten hin – die Platte ist sowohl langsamer als auch schneller, sowohl schriller als auch stiller als alles zuvor. Sie ist Hyper-Lambchop.

„My Face Your Ass“ beginnt mit langgezogenen Gospel-Backings, die so schön sind, daß man darüber lachen und weinen könnte. „Your Fucking Sunny Day“ ist ein schön unechter Funk, der es auf das berühmtere „Thriller „-Album wohl nur ganz knapp nicht geschafft hätte. „Hey Where’s Your Girl“ rast wie eine Eisenbahn in einem Zeichentrickfilm vorbei – zu schnell, wo alles andere zu langsam ist. Wir sind verwirrt. Vielleicht der merkwürdigste Track ist „Gloria Leonard“, der in gewohnter Art beginnt und in einem großen orchestralen, aus vielen kleinen Feedbacks zusammengesetzten großen Feedback endet. Das elektronisch verfärbte „The Old Fat Robin“ wie eine Nashville-Session van Can. Größenwahn, Irrsinn und Klienklein in einem – „Thriller“ halt.

Entweder hat Wagner seine Plattensammlung nicht verkraftet, oder er hat ganz kühl zusammengerechnet: Country plus Krautrock plus Michael Jackson ergibt ein ganz neues Publikum. Über die Größe dieser Schnittmenge wage ich allerdings nicht zu spekulieren.

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