Midlake
„A Bridge To Far Alchemie“
Bella Union (VÖ: 7.11.)
Endlich wieder ein großes Album – 13 Jahre nach Tim Smiths Ausstieg.
Es ergibt wenig Sinn, Midlake immer wieder über die Abwesenheit von Tim Smith zu deuten – der Sänger und Songschreiber hat die Band schon vor 13 Jahren verlassen. Aber man tut es doch, weil Smith die entscheidenden Songs dieses Œuvres schrieb und weil seine Präsenz die Musik der Texaner bestimmte. Er war der Zauberer von Midlake. Trotzdem schließt dieses sechste Album – das dritte seit Smiths Ausstieg 2012 – die Emanzipation endgültig ab.
Dieses Arrangement aus Piano, analogen Synths und einem trockenen Rock-Drive ist die Midlake-Alchemie
In den von Sam Evian (Big Thief, Cass McCombs) produzierten Liedern liegt eine emotionale Selbstverständlichkeit, die größer ist als auf den vorigen zwei Werken minus Smith. Es sind ja nicht die Kompositionen allein, die einem Album Strahlkraft geben, und nicht nur der Sound. Vielmehr sucht man ein durchgehendes Gefühl, eine Haltung, eine Inspiration – eben eine Präsenz, die durch die Akkorde und Melodien dringt. Gleich beim Auftakt ist sie spürbar: „Days Gone By“ hat eine der hier typischen waidwunden, vielstimmig gesungenen Melodien, dazu zirpen zwölfsaitige Gitarren. Eine Querflöte taucht das Playback in ein sanftes Seventies-Psychfolk-Gefühl. Die erste Single, „The Ghouls“, knüpft ein bisschen an das Lied „Roscoe“ an, das die Texaner 2006 zu einer Riesenband machte.
Dieses Arrangement aus Piano, analogen Synths und einem trockenen Rock-Drive ist die Midlake-Alchemie. „Eyes Full Of Animal“ hat die pastorale Schönheit von America. Bei dem sphärischen, an Pentangle erinnernden Prog-Folk „Guardians“ singt Eric Pulido (seit Smiths Weggang der Sänger der Band) mit Madison Cunningham ein ungewöhnliches (und schönes) Duett. Das verzerrte „The Calling“ ist ein Midlake-Standard wie einst „Head Home“ vom großartigen Album „The Trials Of Van Occupanther“ (2006). Der Titeltrack evoziert Alan Parsons Project – auch das ist typisch. A bridge to here.
Diese Review erschien zuerst im Rolling Stone Magazin 11/2025.