Neal Casal – Anytime Tomorrow :: Weltschmerz und Entsagung im besten Siebziger-Westcoast-Stil

Irgendwas muss dran sein an dem Mann. Würde er sonst fortdauernd günstig Studiopersonal buchen können, das sonst nicht mal für weitaus üppigeres Salär Dienst nach Vorschrift tun mag? Produzent: der unfehlbare Jim Scott (Tom Petty, Whiskeytown, Wilco). Als Rhythmusgruppe Don Heffington (Ex-Lone Justice) und Bob Glaub (zuletzt John Fogerty), an den Keyboards John Ginty (Matthew Sweet) und nicht zuletzt Greg Leisz (k.d. lang, Joni Mitchell), der seine Pedal Steel mal wieder so schön weinen lässt, dass e inem ganz schummerig wird ums Herz.

Also: Was ist dran an Neal Casal? Casal, fünf Alben innerhalb von fünf Jahren zum Trotz fast ein Nobody, ist eine Art Schattenmann des US-Rock der 90er Jahre – und dabei ein spätes, aber gelehriges Kind des amerikanischen AAl-Radios der 70er Jahre. Aus diesem Widerspruch schöpft seine Musik Schwung, Anmut, Kraft und Finesse.

Casal, in New Jersey daheim, sieht sich immer noch als der 14-jährige Teenager in seinem Stones-T-Shirt, seinen ausgelatschten Converse All-Stars, kurz

davor mit seiner Gibson Marauder die Bühne einer Talentshow zu stürmen. In der Wirklichkeit vieler seiner Songs aber, die nicht zufällig „Oceanview“ und „Luckystars“ heißen, ist der Mann mit der weichen Stimme eher der schüchterne 17-Jährige, der in einer zu kühlen Juni-Nacht fröstelnd am Strand hockt und beim Blick ins Firmament dem Lauf der Welt hinterherrätselt. Oder auch der Teenager in diesem alten Ford Maverick, der im Schlepptau seiner Mutter die Städte mit gebrochenem Herzen zurücklässt Weil er immer einen Tick zu früh die Biege machen muss, wie abschließend im delikat mit Trauerflor umwickelten „Tbo Much To Ask“: „They’ll be opening doors for me all over town. It’s just too bad that I won’t be around.“

Casal kultiviert Weltschmerz, Entsagung, Entwurzelung in bester Westcoast-Tradition. Man denkt (ziemlich oft) an den Jackson Browne der frühen 70er Jahre, auch wenn Casal weniger in poetischen Rätseln zu uns spricht Man denkt auch an die Flying Burrito Brothers („Camarillo“). Und irgendwann denkt man gar nichts mehr, sondern wundert sich nur darüber, wie Casal all diese Spuren der Vergangenheit zwischen Folk, Country, Rock verwischte, um sie für seinen Sound zu gewinnen.

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